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kelley polar - love songs of the hanging gardens |
environ |
Love is a dancefloor. Schwebe, Schwindel, auch Schweiß: Nichts sonst in der Geschichte der Popmusik hat die Analogie zwischen Tanzflur und Liebe so eindringlich und rücksichtslos gelebt wie Disco. Kelley Polar, Wunderkind an der Bratsche und studierter Klassik-Komponist aus New Hampshire, brauchte eine Weile, bis er seine Begeisterung für die tanzende Liebe entdeckte. Doch dann stürzte er sich um so waghalsiger hinein, interpretierte mit einem ganzen Orchester Disco-Pop-Stücke und fand, zunächst als Zuarbeiter, dann auch als Produzent, Eingang in den Zirkel des Neo-Disco-Labels Environ aus New York. Bei Metro Area sorgte Kelley Polar mit seiner Viola und seinem Streichquartett für den charakteristischen Stringschmelz und produzierte in der Folge - gemeinsam mit Morgan Geist von Metro Area - eine Reihe von EPs.
Bei der Arbeit an seinem Albumdebüt "Love Songs Of The Hanging Gardens" scheint Polar nun ziemlich genau erkannt zu haben, was auf Dauer der Knackpunkt bei seiner Definition von Neo-Disco hätte sein können. Der bis hierhin gültige Projektname "Kelley Polar Quartet" wurde auf jeden Fall zugunsten des nackten Eigennamens fallengelassen. Denn der ständige offensive Einsatz der Streicher konnte schon auf der Reihe seiner bisherigen Veröffentlichungen gewisse Ermüdungserscheinungen verursachen. Das Quartett wurde also gekappt, die Strings sind natürlich noch da, aber dezenter platziert und sparsamer dosiert, wodurch Kelley Polar der Falle entgeht, bloß einen 70er-Disco-Klischee-Mief nachzustellen. Die Produktion ist cutting edge und aggressiver, als es die schwebend-süßen Stücke beim ersten Hinhören glauben machen, das Songwriting wurde mit Electrofunk und dem Glamour von 80er-Art-Pop ordentlich aufgefrischt, um in ein Universum von Schönheit auszubrechen, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Genau dahin hat sich der Künstler offensichtlich bewusst vorgearbeitet. "Cosmological Constancy" heißt das erste Stück, vom Cover grüßen geheimnisvoll leuchtende Nebel aus den Weiten des Weltraums.
Was an "Love Songs Of The Hanging Gardens" vor allem überrascht, ist der häufige Einsatz von Polars Stimme. Fast jeder Song wird mit poetisch-rätselhaften Zeilen und überbordenden, vielstimmigen Chören zur Pophymne auftoupiert. Zum vollkommenen Neo-Disco-Paradies würde da nur noch eine Glam- und Glitzerpersönlichkeit samt exzessiver Performance fehlen, die gemeinsam mit Kelley Polars wunderbarer Musik um die Wette strahlen könnte. Aber die wird der Shoegazer par excellence in Neo-Discolandia so schnell vermutlich nicht aufbieten - was entgegen einer bloßen Reproduktion von Klischees ja auch wieder gut ist.
www.environrecords.com
www.kelleypolar.com
(2005.10.28, 12:51) |
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