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jenny wilson - love and youth |
rabid |
Diva-Portraits mit verschmiertem Lidschatten und Nasenbluten, Sommerhitze in Pelzmantel und Rollkragen: Jenny Wilsons Solodebüt ist ein preziöses Ballett der Widersprüche. Die Bedrohlichkeit des Eröffnungsstücks steht in Kontrast zur unmittelbar folgenden Sing-along-Hymne "Summertime", die bei aller melodiösen Leichtigkeit allerdings den Zusatz bekommen muss: "The Roughest Time". Sommer, Jugend und Liebe werden in den Liedern der Schwedin als die eigentlichen Königreiche des Schmerzes glorifiziert. Das ganze Album wirkt wie eine Parabel nicht nur auf die übersteigerten Erwartungszwänge im Laufe der Jahreszeiten, sondern auf das Leben überhaupt. Die Pflicht zum immerwährenden schön und jung und verliebt Sein reibt sich an Grow-up-Imperativen und verordneter Selbstfindung.
Wilson kleidet diesen Widerstreit in kammermusikalische Pop-Bittersüße. Genau auf dem Grat zwischen der warmen Aura von Akustikgitarren und Streichern und Synthetik - hier kennt Wilson keine Gegensätze - zittern die Stücke sparsam instrumentiert dahin. Sie wirken sehr privat, manchmal fast beengend, doch Wilsons Timbre der geheimnisvollen, verletzlichen Diva, das bisweilen an Roisin Murphy oder Tori Amos erinnert, bricht immer wieder in Richtung Barock aus. In guter Poptradition werden Widersprüche und Künstlichkeit als Grundbedingungen auf dem Weg zur Schönheit also stets vorausgesetzt. Das Unbeschwerte in Wilsons Gesangslinien bleibt immer auch Inszenierung, aber es reißt trotzdem mit. Als hätte sie es mit diesem Ballett und dem Zynismus ihrer Texte ein wenig übertrieben, gibt die Künstlerin schließlich auch noch einen versöhnlichen Fingerzeig mit dem Stück "Bitter? No I Just Love To Complain".
www.rabidrecords.com
www.jennywilson.net
(2005.12.20, 17:17) |
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