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jirku / judge - plusism |
onitor |
Eins und eins macht Fun
Mit Robin Judge und Tomas Jirku haben sich zwei Menschen gefunden, die nicht nur einen gemeinsamen Musikgeschmack teilen, sondern - wie sie selbst verwundert feststellen - schon beinahe beängstigend ähnliche Gedankengänge verfolgen. Für die in Toronto lebenden ProduzentInnen, beide durch Veröffentlichungen auf Force Inc. oder Traum als Soloartists bereits bekannt, war es also ein ganz selbstverständlicher Schritt, ein Album als Duo aufzunehmen. Auf "Plusism", erschienen beim Stuttgarter Label Onitor, ist nachzuhören, wie sich die beiden gegenseitig in ihren musikalischen Ideen bestärken und ihre eigene Mischung aus Soundbastelei und Tanzmusik kultivieren, ohne dabei den üblichen Egoclashes und Identitätskonflikten solcher Kollaborationen in die Quere zu geraten. Die beiden schaffen es in ihren zehn Tracks zwischen Glitches, Melodiesprengseln und 4/4-Bassdrum tatsächlich, wie mit einer Stimme zu sprechen.
Ihre Zusammenarbeit beschreiben sie als großartige Bereicherung, schwärmen regelrecht von der Leichtigkeit ihres Einverständnisses, und nicht ohne Koketterie bemerken sie, dass die Hauptidee für das Album ganz einfach der gemeinsame Spaß an der Sache war. Robin: "Irgendwie war die Produktion für uns wie die Zubereitung eines Sandwiches mit vielen verschiedenen Schichten. Ich hab was drauf gelegt, dann Tomas, dann wieder ich... Wir vertrauten immer darauf, wohin der andere den Sound als nächstes bringen würde. Es war sehr interessant und hat uns beiden sehr viel Spaß gemacht."
Catchy und swinging nennen Judge und Jirku ihre Musik, und im vorgegebenen Rahmen reduzierter Tanzmusik behalten sie damit natürlich recht. Mit Tracks wie "Coffee Grind" oder "Duotone" treffen die beiden genau diesen Raum zwischen Home Listening und Club-Erlebnis, der sich immer weiter und weiter ausdehnt. Ein Großteil aktueller elektronische Musik ist mit einem Antagonismus dieser beiden Funktionalitäten eigentlich nicht mehr zu fassen. Wie viele andere Produzenten auch arbeiten Judge und Jirku an einer bewussten Verbindung von Wohnzimmer und Club. "Wir versuchen immer, diese beiden Aspekte miteinander zu verschmelzen. Es ist eine Sache, mit Sound rumzuexperimentieren, die eigentliche Herausforderung ist jedoch, diese Experimente in die Grenzen von Tanzmusik einzupassen. Hinter dem vordergründigen Dancefloor-Feeling unserer Musik liegt eine gewisse Ebene der Verfeinerung. Es war uns wichtig, zwischen all dem Spaß und der Funkyness ein bestimmtes Level an Subtilität zu finden."
Das Cover von "Plusism" zeigt eine Landschaftsaufnahme der besonderen Art, nämlich die künstliche Landschaft einer Modelleisenbahn, den großen Fokus auf das Kleine: im Vordergrund ein See, rundherum Bäume, weiter hinten bunte Häuser und schließlich am Bildrand die Schienenstränge, die in die unendlichen Weiten des Wohnzimmers führen. Wird hier auf das biedermeierlich zurückgezogene Schaffen einsamer ElektronikproduzentInnen angespielt, die sich mittels ihrer Sounds weit weg in andere Welten imaginieren? Meine wilden Spekulationen zur Bedeutung des Cover-Fotos wollen die beiden nicht bestätigen - aber auch nicht dementieren. Durch den Akt ihrer künstlerischen Vereinigung durchbrechen sie diesen isolierten Rahmen ja bereits. Sie reduzieren Einsamkeit und Biedermeiertum und maximieren ihren Spaß. Jirku plus Judge gleich Mehrwert, Plusism eben.
(2003.08.04, 17:19) |
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