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john tejada - daydreams in cold weather |
plug research |
Tagträume aus L.A.
Der Name John Tejada steht schon seit Jahren für konstant gute Releases im Spannungsfeld von Techno und House. Vor allem in jüngerer Zeit konnte Tejada mit Veröffentlichungen auf Labels wie Seventh City, Playhouse und schließlich seinen eigenen Palette Recordings richtiggehend Furore machen. Und während Sie auf dem gut bespielten Technofloor Ihrer Wahl derzeit mit den Remixen seines 2001-Überhits "Timebomb" oder mit seiner aktuellen Zusammenarbeit mit Titonton Duvanté bedient werden, wandelt der hyperaktive Tausendsassa Tejada mit seinem neuen Album "Daydreams in Cold Weather" parallel schon wieder auf anderen Pfaden.
In einem reichen musikalischen Umfeld aufgewachsen - die Mutter Opernsängerin, der Vater Dirigent -, war Tejada schon von Kindesbeinen an selbst mit dem Musizieren vertraut, entdeckte mit zehn Jahren Hiphop und bald darauf Electro für sich und begann mit siebzehn selbst mit dem Produzieren elektronischer Musik. In L.A lebt er, abgeschieden von großen Clubtraditionen und einer nennenswerten Techno- oder Houseszene, in einem Umfeld, wo er unvoreingenommen seine Liebe zu den verschiedensten Spielarten elektronischer Musik pflegen kann, und dieses Umfeld ist der Offenheit und dem Reichtum seiner Arbeiten offensichtlich nur förderlich.
"Daydreams in Cold Weather" kann als eine Fortsetzung seines Albums "The Matrix of Us" auf Defocus aus dem Jahr 2000 gesehen werden, ist nun jedoch mit einiger Verzögerung bei Plug Research erschienen, einem Label, das wie Tejada selbst in L.A. beheimatet ist und sich musikalisch ebenso vielfältig und weltoffen präsentiert. Plug Research hat sich schon seit einiger Zeit als Plattform für ein weites Verständnis elektronischer Musik und sogenannter Post-Genres etabliert, zum Teil mit Acts, die sich bewusst ans Bandformat anlehnen und auch gerne mal die Gitarre hervorholen.
Da lässt sich Tejada als Multiinstrumentalist gar nicht erst lange bitten und zaubert zwischen die Synthielinien seiner Stücke auch sehnsüchtige Klampfenklänge. Die funkige Verspieltheit, die in seiner Vision elektronischer Tanzmusik eine ganz entscheidende Rolle spielt, geht in seinen Technotracks wie selbstverständlich mit einer in die Beine zielenden Direktheit zusammen. Auf "Daydreams in Cold Weather" ist die Gewichtung mit Rücksicht auf den Genuss vor allem im trauten Heim etwas anders ausgefallen: Die Geradlinigkeit wird aufgebrochen, die 4/4-Bassdrum ist ganz verbannt worden und wird von einer sanften, melancholischen Electrostimmung abgelöst, die gerne und verdient auf die gute alte Detroittradition schielt. Tejadas überbordendem Spieltrieb wird weiter Raum zugestanden, da fiepen und zischen die Synthiesounds gleich in mehreren Lagen durch- und übereinander, und der Teppich aus melodischen Schnipseln kaschiert gemeinsam mit bewegten Basslines die Schärfe seiner wie gewohnt hart funkenden Beats. Das Tempo wird nie völlig runtergeschraubt, sondern bleibt fast durchgehend in einem angenehmen Zwischenbereich, und dieses traumwandlerische Dazwischen kennzeichnet die Atmosphäre des gesamten Albums, eine Wärme und heimelige Stimmung, die schon der Titel und das Cover mit den zwei süßen Teddybären evozieren.
Inmitten dieser instrumentalen Daydreams überrascht "The Silence of Us", ein richtiger HipHoptrack mit dem Gastvokalisten Divine Styler. Dieses stimmliche Wagnis stellt zwar einen Bruch zur restlichen Platte dar, ist in sich jedoch eine so stimmige Sache, dass ich mir eigentlich nur mehr davon wünschen kann.
www.plugresearch.com
(2002.10.11, 14:49) |
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