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justus köhncke - doppelleben |
kompakt |
Ein tiefer Blick aus strahlend blauen, glasklaren Augen. Ein Gesicht, ein Name. Wir sind ganz nah dran, hier es gibt kein Versteckspiel mehr. Justus Köhncke jodelt sich auf dem ersten Song seines dritten Soloalbums, dem Mainstream-Pop von "Schwabylon", zwar noch mit verfremdeter Stimme durch einen englischen Text, dann ist es aber - trotz des programmatischen Doppelleben-Titels - schnell vorbei mit Verstellungen und Heimlichkeiten.
Nach dem Verführungsspiel der Nacht, den kleinen Falschheiten des Glamours präsentiert der Discodandy nun seine Hausmann-Seite, und zwar inhaltlich und musikalisch. Die Platte ist weitgehend ein Rückzug vom Club ins Private, in die Stunden am Sonntagnachmittag nach dem Zusammenschweißen unter Stroboskop und Euphorie. Erst jetzt gibt es Raum für das gegenseitige Abtasten, für das Fragespiel und wirkliches Annähern, hinweg über "Weiche Zäune", die nur existieren, solange man sie nicht in Frage stellen will. "Doppelleben" meint hier nicht versteckte Untiefen und Selbstverneinung, sondern etwas, das nebeneinander existieren kann und darf. Es kann als ein gemeinsamer Wert verstanden werden, eine Zweisamkeit, die im nach außen Gehen, im sich Trauen entsteht.
Köhncke traut sich, er liefert sich aus. So erklärt sich auch das Diktat des etwas einschränkenden Reimschemas, und die gestelzten und doch oft platten, wie aus einem Herzschmerzheftchen abgeschriebenen Texte erscheinen in anderem Licht. Klischeeworte, die zunächst unangenehm berühren, weil sie einen Pawlow’schen Reflex des Ekels vor allzu Abgegriffenem auslösen, bevor man sich überhaupt auf ihre Bedeutung einlassen will, nimmt Köhncke zärtlich in den Mund. Damit geht er Floskeln auf den Grund, will Sprache wieder mündig und wertvoll machen, etwa wenn er bedeutungslos gewordene Mobiltelefonie-Stereotype wie "Wo bist du" und "The Answer Is Yes" in Songtitel und emotionsüberladene Refrains verwandelt. So bejahend, alle Ängste von sich werfend wie dieses letzte Stück ist schließlich die ganze Platte.
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(2005.01.31, 14:11) |
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