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patrick pulsinger - die entdeckung des klangs
interview

Wie viele alternde Männer of Rockfame haben uns eigentlich schon mit ihren ach so tollen Jazzanwandlungen genervt, um sich eine private Pensionsversicherung zu sparen? Eindeutig zu viele. Der agile und wortgewandte Mann, der sich da keck vor mir auf seinem Hotelbett räkelt, hat ebenfalls gerade eine astreine Jazzplatte abgeliefert, aber zum Glück muss er sich noch nicht um eine halbgare Altersvorsorge kümmern, und das Wort Rock fällt bei ihm höchstens in Zusammenhang mit den Tanzfluren, die er around the World beschallt. Anlässlich der Veröffentlichung des Albums "In The Shadow of Ali Bengali" seines Jazzprojektes Easy To Assemble Hard To Take Apart traf ich Patrick Pulsinger in Köln und führte mit ihm für Intro folgendes Interview.


Du wirst mir jetzt vielleicht gleich widersprechen, aber ich habe den Eindruck, dass du dich in letzter Zeit als Künstler eher etwas zurückgezogen hast auf kleinere Projekte bzw. hinter die Regler - ich denke da natürlich an Louie Austen oder Church Of Carbon -, während man von Sluts'n'Strings z.B. länger nichts gehört hat.

Ja, das stimmt schon. Da widerspreche ich dir überhaupt nicht, sondern ich sehe das schon auch so. Ich denke, dass es mir eigentlich generell mehr liegt, mit Soundmaterial umzugehen, also mehr als Produzent und Arrangeur zu arbeiten, als selbst Musik zu erschaffen, was ich aber natürlich nach wie vor auch mache. Insofern ist das schon wahr, und es ist auch eine bewusste Sache, die mir viel Freude bereitet, gerade auch in letzter Zeit mit dem Louie-Austen-Album, das du angesprochen hast, und natürlich auch mit dem Jazzprojekt.

Da sind wir ja schon gleich beim Thema. "Easy To Assemble. Hard To Take Apart." gliedert sich ja eindeutig in diese Arbeit als Arrangeur ein. Mich würde interessieren, wie der Entstehungsprozess des Albums konkret abgelaufen ist, weil man das dem Resultat ja nur bedingt anhören kann. Gab's schon fertige Stücke vor den Aufnahmen? Wieviel haben die Musiker improvisiert, wieviel wurde erst nachher editiert, etc.?

Wir haben das ganze Material eigentlich in zwei Sessions in einem bekannten Wiener Jazzstudio aufgenommen. Die Musiker haben nach meinen Ideen gemeinsam improvisiert, und ich habe das alles auf 24 Spuren auf Band aufnehmen lassen. So wie eine richtige alte Jazzaufnahme der 60er, wobei mir wichtig war, dass z.B. beim Schlagzeug jeder Part einzeln abgenommen wurde, damit ich das nachher alles getrennt bearbeiten konnte. Aus diesen Aufnahmen habe ich die konkreten Stücke danach erst ausgearbeitet.
Also der Reihe nach: Ich hab den Musikern zunächst meine Vorstellungen vermittelt, so im Sinne von Stimmungen und Gefühlen, auch musikalische Vorbilder, die ich im Kopf hatte, beschrieben, aber nicht vorgespielt natürlich, damit die das nicht nachspielen. Es gab also keine expliziten musikalischen Vorgaben, und das Wichtigste war mir, dass die dann einfach mal spielen, einfach los. Den Kern bildete das klassische Trio Schlagzeug, Bass, Klavier, um das herum sich der Rest formiert hat. Dabei habe ich niemals nur einen Musiker alleine spielen lassen und aufgenommen, sondern das Zusammenspiel und das Entstehen der Musik in der Session, im Agieren und Reagieren aufeinander, auf den Sound war mir sehr wichtig. Wir hatten das Band auch die ganze Zeit laufen, wodurch die Musiker dann lockerer gejammt haben, als wenn man sagt: Achtung Aufnahme jetzt! Das hat sich als sehr wichtig und toll herausgestellt, weil dadurch alle möglichen Störgeräusche und Zufälligkeiten drauf waren, die dann später für mich total interessant und brauchbar wurden. Sounds, die ich sonst einfach nicht gekriegt hätte oder die man sich überhaupt nicht ausdenkt. Z.B. wenn der Bassist sich locker einspielt oder nur so über die Saiten drüber streicht, oder wenn irgendwas auf dem Flügel abgestellt wird, was ich dann für eine Bassdrum verwenden konnte. Aus diesen Aufnahmen der zwei Sessions sind dann eben erst die Stücke am Rechner entstanden und arrangiert worden. Ich habe in einer echt aufwändigen Arbeit alles bearbeitet und herumgecuttet und gepastet. Zwar mit digitalen Mitteln, im Prinzip aber wie eine Bandcollage, ohne die Quantifizierungen im Sequencer zu verwenden, sondern ganz nach Gehör und Gefühl. Und das hat mir die Möglichkeit und Freiheit gegeben, einen Ton auch mal verklingen zu lassen in seiner Schönheit, mit seinen Schwingungen und dann wieder nach Gefühl irgendwann einzusetzen - und nicht, wenn der Sequencer sagt, da wäre die Eins jetzt gewesen. Ich habe schon sehr viel verändert, gleichzeitig aber versucht, das eher bescheiden zu belassen und nicht Hauruck immer mit einem Effekt drüberzufahren oder so. Ich habe da meine Arbeit im Resultat meistens bewusst zurückgenommen, habe manche Sachen sozusagen auch versteckt. Ab und zu wird dann doch ganz klar, wumm, hart runtergefiltert, aber das Verschwinden der elektronischen Eingriffe war mir wichtiger.

Diese Affinität zu Jazz hat bei Technoproduzenten ja doch schon eine längere Tradition. Siehst du dich da in einer Linie, etwa mit Carl Craig?

Nein, gar nicht. Ich sehe das Projekt schon ganz eindeutig in einem Jazzkontext. Ich versuche ja auch an meine liebste klassische Phase, eben den Jazz der 60er und 70er Jahre, anzuknüpfen, mit ganz klassischen Instrumenten und Besetzungen, und dazu aber vielleicht was Neues beizutragen, indem ich versuche, die Elektronik und digitale Technik auf eine bislang nicht praktizierte Art einzubinden, das also für klassischen Jazz als neuen Aspekt fruchtbar zu machen. Carl Craig stellt für mich da schon den Gipfel des Erreichbaren dar, aber eben auch etwas ganz Eigenständiges, das wohl nicht dieses Ziel hat, so traditionell anzuknüpfen.

Du hast das jetzt teilweise schon beantwortet, aber kannst du konkret Einflüsse benennen, an die du dich mit der Idee für das Projekt und mit deinen Vorgaben an die Musiker angelehnt hast?

Ich liebe die klassischen Sachen der 60er und 70er: Coltrane natürlich, aber auch Big-Band-Jazz, und deshalb wollte ich neben der klassischen Trio-Besetzung unbedingt auch Bläser dabei haben, das war mir ganz wichtig. Ich bin auch total begeistert von Sun Ra. Gewisse Alben von ihm sind ja - und auch wenn sie heute erst erscheinen würden, sie wären immer noch purer Futurismus. Diese Sachen haben auch eine extrem tolle, ganz eigene Art des Abmischens, wenn etwa die Rhythmusgruppe ganz leise ist und das Soloinstrument im Vergleich dazu dann viel zu laut, aber einen wieder in eine ganz andere Richtung wegspacet...

Du bist mit ETAHTTA ja auch schon live aufgetreten. Wie habt ihr das auf der Bühne präsentiert?

Ja, wir hatten bislang den einen Auftritt beim Jazzfestival Saalfelden. Die Musiker standen auf der Bühne und haben praktisch wie im Studio zusammen gespielt, und ich saß aber mit meinem Maschinenpark im Publikum. Die Leute wurden auch explizit aufgefordert, nicht nur steif zu sein, wie man das halt von solchen Konzerten eher kennt, sondern auch aufzustehen und mir auf die Finger zu schauen. Mit diesem Kniff, dass ich im Publikum sitze, habe ich sozusagen gleich drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Erstens störe ich die Performance der Musiker nicht, nicht in der visuellen Wahrnehmung für das Publikum - wie man das sonst halt so kennt: der Laptopper, der nur herumsitzt und von dem kein Schwein weiß, was er da mit seinem für andere nicht einsehbaren Interface bastelt - und aber auch nicht in ihrem Zusammenspiel. Denn die hören auf den Monitoren fast nur sich selbst und nicht das, was ich zu ihrem Spiel noch hinzugefügt und manipuliert habe. Trotz der Live-Situation greife ich also nicht störend in das kreative Zusammenspiel der Musiker ein. Und das Publikum hat die Möglichkeit, mir über die Schulter zu schauen, zu erleben und nachzuvollziehen, was dieser Elektroniker denn jetzt da macht. Außerdem kann ich im Publikum genau das hören, was die Zuhörer eben auch bekommen, und nicht den verfälschten, problematischen Sound auf der Bühne.

Vielleicht können wir noch mal näher auf was eingehen, das du schon ganz zu Anfang erwähnt hast: die Sache mit dem Produzieren und Arrangieren. Ist das in deinem Selbstverständnis als Musiker die wichtigere Seite?

Naja, derzeit vielleicht schon. Also das Umgehen mit Sound, das Gestalten ist mir halt total wichtig. Das hat mir gerade das Jazzprojekt auch wieder gezeigt. Das ist für mich zum Teil schon fast wie ein Wiederentdecken des Klangs. Bei aller elektronischen Musik vermisse ich eigentlich diesen Aspekt des Sounds und des Gefühls, eben den Klang nach seinem eigenen Bedürfnis wirken zu lassen, ihn auch mal ausklingen zu lassen. Das kommt mir eigentlich immer zu kurz, es wird da nie zugelassen, dass ein Ton sich entfaltet, einfach solange klingt, wie er braucht. Und durch solche Arbeiten wie das Jazzprojekt werde ich da viel aufmerksamer. Da stellen sich dann Fragen wie: Was lässt sich alles sonst noch anstellen mit dem Klang? Und das zieht dich dann, wenn man wieder normale Produktionen macht - jetzt z.B. das neue Louie-Austen-Album - natürlich total rein. Du fängst viel mehr an mit den Instrumenten, sie verschieden zu interpretieren mit dem Sound. Und das macht viel mehr Kopfschmerzen, ist irrsinnig komplizierter für mich, weil man sich's einfach schwerer macht, aber das ist sehr interessant. Es ist das, was mich am meisten interessiert im Moment. Aber ich mache trotzdem weiter Musik, also selber Musik. Ich arbeite mit Gerhard Potuznik an einer Platte, dann am Louie-Austen-Album - also es gibt genug Material, wo man sich auch wieder hinsetzt und Drummachine programmiert und so. Aber der Kopf ist halt auf der Soundseite irgendwie.

Und das DJing ist noch mal was Anderes, Eigenes?

Naja, das DJing war immer so ein Extrading. Ich wollte das nie zu meinem Beruf machen, und sehe das auch nicht als Beruf. Klar, manche Leute legen dreimal pro Woche auf, die fahren halt herum, legen auf, legen auf, das ist das Einzige was sie tun, nebenbei produzieren sie vielleicht noch was. Ich produziere, und nebenbei lege ich noch ein bisschen auf. Die Gewichtung liegt bei mir einfach auf der anderen Seite. Es macht mir Spaß aber wenn ich dreimal pro Monat auflege, reicht's mir schon, das ist genug.

Ich habe heute gerade noch ein Interview von 1997 mit dir gelesen mit einem kleinen deutschen Magazin, wo du natürlich auch zur Wiener Szene befragt wurdest und vor allem gemeint hast, das Tolle ist, dass in den Clubs alles Mögliche an einem Abend läuft. Ich hab das weniger so wahrgenommen bzw. eher als die Ausnahme. Glaubst du, dass das jetzt noch so ist?

Ich kann natürlich nur von den Clubs reden, wo ich hingehe, und das ist eine zweischneidige Sache. Weil einerseits gehe ich natürlich am meisten aus, wenn ich selber dort spiele, und dann sehe ich die Leute, die dort spielen und die ich auch kenne, und die spielen halt so einen Style, der mir gefällt - das ist ein relatives Mischmasch -, und dadurch habe ich vielleicht diesen Eindruck. Aber ich glaube nach wie vor, dass man sich in Wien mehr "trauen" - naja, trauen kann man sich immer -, aber dass man mehr machen kann mit der Crowd, Stile crossen etc. Ob das jetzt jeder macht, sei dahingestellt. Aber man kann halt mehr als... in Berlin, sag ich jetzt mal ganz plump. Dort gibt es z.B. einen HipHop-Club, und da läuft halt - tatatata - HipHop, da wird nur das gespielt. Es gibt auch Ausnahmen, aber ich glaube, dass in Wien das Stilemischen eine gewisse Tradition hat, mehr als woanders. Ob das jetzt so 100% umzulegen ist auf die wirkliche Erfahrung beim Ausgehen, und ob das heute besser oder schlechter geworden ist, kann ich nicht so ganz beurteilen. Aber ich glaube, dass es in Wien immer die Tendenz gegeben hat, dass sich die Leute nicht so 100%ig - zumindest dort wo ich weggegangen bin - auf ein Ding eingeschossen und das dann durchgezogen haben. Also das hat meiner Meinung nach wirklich Mitte der 90er Jahre aufgehört, nachdem die erste, eigentlich ja die zweite große Rave-Welle abgeklungen ist. Wenn du da an einem Donnerstag ins Flex gegangen bist, da hat vor dir jemand Drum'n'Bass auflegen können, und du hast nachher ganz locker ohne Probleme Elektro spielen können - es hat trotzdem funktioniert. Und das funktioniert nicht überall! Da sind wir in Wien schon ein bisschen verwöhnt. Da kannst du woanders, in England z.B. damit extrem auf die Nase fallen, da kannst du völlig losen. Ein lustiges Beispiel: Ich habe mal in London im Lost so 1995 oder 1997 gemeinsam mit Robert Hood aufgelegt. Ich hab am Anfang eher so straight gespielt, und mir dann gedacht what the fuck? und hab 'ne Drum'n'Bass-Platte aufgelegt. Hat total super funktioniert. Danach ist Mixmaster Morris zu mir gekommen und hat gesagt: Es ist das erste Mal in der Geschichte dieses Clubs, dass eine Drum'n'Bass-Platte hier gelaufen ist. Für mich als Außenstehenden hatte das nicht diese Symbolwirkung, ich hab mir einfach gedacht: Hey, geht gut ab, probiere ich mal das. Und es hat funktioniert noch dazu! Und er hat gesagt, er hat das noch nie erlebt, es hat noch niemand sich "getraut", im Lost, Techno Heaven No. 1 damals, eine Drum'n'Bass-Platte zu spielen. Da ist mir erst aufgefallen, wie leicht mir das in Wien von der Hand geht, was dort eine kleine Revolution zumindest für den Club bedeutet hat. Und dort war's dann auch super, weil es war geile Stimmung, ich hab es ziemlich gut hingekriegt, es lief ziemlich schneller Techno, ich hab's dann so überschwenken lassen, auf einmal war der Breakbeat da - und es hat geklappt, die Leute waren total weg, die haben wahrscheinlich gar nicht mitgekriegt, dass auf einmal Drum'n'Bass gelaufen ist. Danach habe ich zum Mixmaster gesagt: Hey, I do this a lot in Vienna, you know. Und er meinte: You're lucky. Da hab ich mir gedacht: Hey, vielleicht sind wir echt lucky mit der Musiksituation in Wien. Ich glaube schon, dass das sehr viele DJs den Leuten dort angezüchtet haben, dass es mehr gibt als nur das, was man sonst halt immer hört.

Und abgesehen von der Clubszene? Es ist ja vor allem in Deutschland immer noch so, dass besonders hervorgehoben wird, wenn Musiker aus Österreich kommen, und das mit dem klischeehaften Wienbild etc. in Verbindung gebracht wird. Da kann ich dir die blöde Frage nach der sogenannten Wiener Szene nicht ersparen. Der Hype und das Gerede sind zwar abgeklungen, aber glaubst du dass es eine solche Szene jetzt noch gibt oder überhaupt gab?

Der Kruder & Dorfmeister-Effekt. Also, ich habe mich damals, als darüber geredet wurde, nicht besonders darum gekümmert, muss ich ehrlich sagen, und ich mache es jetzt auch nicht. Also wir bei Cheap z.B. - wir haben jetzt 10 Jahre Cheap dieses Jahr - wir haben uns nie darum geschissen, was rundherum passiert. Das heißt nicht, dass wir mit geschlossenen Augen rumgegangen sind, aber wir haben nie versucht, irgend jemand anderem etwas gleichzutun. Also bin ich irgendwie der falsche Adressat dieser Frage. Es hat mich nie so richtig tangiert, ob jemand versucht, dem ein Siegel aufzudrücken, weil wir nie reingepasst haben in dieses Vienna-Sound-Ding. Da waren halt K&D, teilweise unverschuldet und zu ihrem eigenen Leidwesen, da waren die Vienna Scientists und noch einige, die alle gewollt oder ungewollt ins gleiche Horn gestoßen haben. Aber ich habe Cheap da genauso wenig drin gesehen wie Mego. Ja, da hat sich was aufgebaut, halt Jazzanova und Ding und da und NuJazz und Trüby und Österreich und smooth und Lounge und shmoove und Jazz und bla, aber das hat mich nie wirklich nachhaltig beeinflusst.

Cheap hat ja auch nie reingepasst. Was gehypet war, war ja dieser Downbeat-Melange-Sound.

Ja, und den haben wir nie geliefert. Wir haben sicher an dem kleinen Hype ein bisschen teilgehabt, weil die Leute vielleicht dann eher mal reingehört haben. Nur: Kaufen müssen sie's dann selber. Und die Leute, die es dann trotzdem gekauft haben, obwohl es nicht in die Melange reingepasst hat - na wunderbar! Und die, die es nicht gekauft haben - na what the fuck? Ich weiß nicht, ob es uns im Endeffekt wirklich viel gebracht hat. Geschadet hat es uns sicher nicht, aber gebracht hat es uns auch nicht viel, sagen wir mal so. Es gibt sicher Leute, denen es massiv geschadet hat, da bin ich mir sicher. Die sich sozusagen unbeobachtet besser entwickelt hätten, gerade so Leute, die ganz am Anfang standen. Wenn die sich ein, zwei Jahre Zeit gelassen hätten, ihren eigenen Sound zu finden, anstatt sich dranzuhängen - was ihnen natürlich teilweise auch aufgedrückt wurde, wo die gar nicht mal mit so Eigenambitionen rangegangen sind auf die Art: ich muss jetzt genauso klingen wie Tosca, sondern die, weil sie es einfach gut fanden und sowas gemacht haben, sofort da reingepresst wurden. Für die Leute hat das sicher viel kaputt gemacht. Die hätten sich in einem Vakuum oder nicht so beobachtet sicher interessanter entwickelt.

Noch mal zurück zu ETAHTTA: Cheap steht ja immer für einen gewissen Humor, für einen speziellen Witz an der Sache, und den habe ich auf deiner neuen Platte jetzt noch nicht so ganz entdeckt...

Es ist ja auch kein Cheap-Platte!

Du siehst das also schon als getrennte Dinge?

Es ist getrennt, total. Das Produkt hat eigentlich mit Cheap nichts zu tun. Es steht halt darauf, um das ein bisschen zu featuren, damit sich Leute, denen es gefällt, vielleicht auch unser Label anschauen. Aber ETAHTTA ist eine ganz kopflastige Idee von mir, das hat mit Cheap gar nichts zu tun. Es ist auch meine private Show irgendwie. Ich hab das nicht mit irgendwem anderen von Cheap gemacht, es war wirklich ein Heimprojekt, eine Heimbastelei. Bei Cheap laufen die Produktionen ja wirklich so, dass die Leute ins Studio kommen, wir produzieren das mit denen, nehmen vielleicht noch ein paar Vocals auf - es ist wirklich so wie eine gruppendynamische Angelegenheit. Leute sagen z.B.: Hey, ich hab hier ein Demo. Das hören wir uns an und sagen: Das ist geil, das braucht 'ne gute Produktion uns so. Philipp Quehenberger z.B. haben wir gesagt: Die Tracks sind geil, aber du musst darauf singen, das schreit nach Gesang. Darauf er: Ich hab kein Mikrofon. Na gut, dann ist er halt ins Studio gekommen, wir haben die Tracks gemastert, Stimmen aufgenommen und mit ihm gemeinsam fertig gebastelt. Dafür steht halt Cheap, für die Experimentierfreude, auch für den Witz an der Sache. Aber dieses Projekt jetzt ist mal was anderes, man muss sich ja auch irgendwie... setteln. Man muss auch irgendwann mal eine Auszeit nehmen, auch vom Spaß Auszeit nehmen, um mal was anderes zu machen und das dann wieder schätzen zu können. Ich sehe das eher für mich als zweite Schiene, um vielleicht Dinge zu realisieren, die sich Label-intern einfach nicht realisieren lassen und die auch überhaupt nicht passen würden. Es gibt da eine ziemlich dünne Linie zwischen Offenheit und Beliebigkeit. Und Offenheit ist gut bei einem Label, aber Beliebigkeit ist Scheiße. Deswegen hätte ich nie daran gedacht, das jetzt wirklich bei Cheap rauszubringen. Ich hab damals das Whitelabel gepresst, weil ich schauen wollte, wer die Platte rausbringen könnte. Ich war nicht wirklich bei vielen Leuten, der Thomas von Zomba hat sich relativ schnell darauf eingelassen. Aber es war auch nicht so einfach, ich habe lange überlegt, wo ich das hinschicken könnte. Für ein klassisches Jazzlabel war's vielleicht sogar noch ein bisschen zu früh, und ein klassisches Elektroniklabel sagt dann vielleicht: Mich nervt das Saxophon oder so - weiß man halt nicht genau. Und deshalb war das mit Zomba, mit Form & Function, auch eine gute Kombination, da ist es ganz gut eingebettet, die sind auch offen, und es gibt mit den ganzen Cinematic-Orchestra-Sachen einen Background, den ich bei Cheap z.B. nicht so sehe. Außerdem wollte ich einfach, dass es jemand anders macht.

Eine letzte Frage noch: Was steht als nächstes an Projekten und Veröffentlichungen an?

Ja, ganz konkret eigentlich: Zunächst das neue Louie-Austen-Album, kommt noch vor dem Sommer raus. Wir sind mittendrin, es raubt uns gerade den letzten Nerv im Moment, weil es ziemlich aufwändig ist.

Wieder gemeinsam mit Kitty-Yo?

Ja genau, CD wieder bei Kitty-Yo, Vinyl bei Cheap. Dann möchte ich mit den Jazzleuten ein Live-Album machen. Es gibt da noch Stücke, die ich erstens nicht verwendet habe und andere, die wir nie richtig aufgenommen aber angedacht haben. Die Idee ist jetzt, dass wir in Wien ein Live-Konzert machen und ich das auf 24-Kanal mitschneide und dann das Live-Konzert genau wieder so bearbeite wie das Album, also den Spieß auch ein bisschen umdrehe: ich spiele mit dazu und bearbeite mich dann selbst mit den Musikern noch mal. Das ganze als Livegig also, mit Audience und allem Drum und Dran, also Mikrofonen, wo man die Leute auch hört und so und das Ganze dann im Studio leicht gestreamlinet für ein nächstes Album. Das würde ich gern machen, und das wäre auch relativ schnell realisierbar. Ich möchte nicht wieder zwei Jahre - zwanzig hätte ich jetzt fast gesagt - fürs nächste Album arbeiten. Ich möchte das Konzept noch einmal so machen wie jetzt, in derselben Besetzung als Liveding, und dann kann man sich wieder Gedanken machen, was man verändert, was man besser macht. Und dann ein Church-Of-Carbon-Album mit Gerhard Potuznik, da sind wir auch gerade mittendrin. Das wird auf Tigerbeat erscheinen. Es wird auch nicht so wie die Maxi, also es wird schon sehr verschroben. Kid 606 von Tigerbeat ist einer der ersten Curch-Of-Carbon-Fans, seit der ersten Platte. Er hat sich sofort gemeldet und gemeint: Es ist egal wie die Platte klingt, er will sie auf jeden Fall releasen, und das ist auch okay. Ja, das sind die nächsten Sachen für dieses Jahr: also Louie, das Jazzprojekt fortführen und dann noch das Projekt mit Gerhard - das lässt für mich so eigentlich keine Wünsche offen.

www.formandfunction.net
www.cheap.at
 
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last updated: 2009.08.26, 10:29