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ken ishii - die klassische freiheit
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Das Interview zur Review.

Ich habe den Eindruck dein neues Album "Future In Light" ist zum größten Teil wesentlich transparenter, irgendwie heller, strahlender als deine letzten Arbeiten. Würdest du mir da zustimmen?

Ja, auf jeden Fall. Ich habe das Album in einer sehr optimistischen, positiven Atmosphäre produziert - zumindest waren die letzten Jahre auf einer persönlichen Ebene so für mich. Ich war stolz zu sehen, wie Techno in neuen Territorien positiv aufgenommen wurde, z.B. in Südamerika oder Südasien. Die Medienpräsenz von Techno hat in den letzten Jahren ja nachgelassen oder das Bild von Techno war nicht immer sehr positiv, aber Techno lebt noch immer und wächst weiter. Und vor allem diese neuen Sachen zu sehen, hat mich ermutigt und dazu animiert, wieder ein richtiges Techno-Album zu machen.

Das Album klingt sehr klassisch, sehr nach Detroit. War es für dich so ein Back-to-the-Roots-Ding, wieder zurück zu deinen Wurzeln, deinen Einflüssen zu gehen?

Oh ja! Ich bin ein großer Fan elektronischer Musik und höre das mittlerweile seit 20 Jahren (Kraftwerk natürlich, YMO, aber auch Krautrock-Zeug und so), aber Detroit-Techno Ende der 80er war schließlich der letzte Anstoß für mich, selbst Musik zu machen. Und ich wollte mit diesem Album eben zurück gehen zum Techno, dabei aber auch mehr machen als das, was Techno in letzter Zeit leider oft und zu einem großen Teil war, nämlich einfach nur mehr "banging beats", und das sollte es natürlich nicht werden. Die Offenheit von Techno in seinem ursprünglichen Sinn ist meine wesentliche Inspiration. Früher war Techno nicht nur ein Stil oder eine Musik, sondern ein alles umfassender Lifestyle, sehr offen und frei. Die klassischen Sachen haben viel Melodie, Basslines, Breakbeats etc. Ich habe also versucht, auf dem Album möglichst viele unterschiedliche Einflüsse in den Beat-orientierten Techno reinzubringen

Ist es für dich schwierig, zu diesem originären Sound zurückzugehen?

Es war ein recht natürlicher Prozess, zu meinem Techno-Feeling und zu meinen entscheidenden Einflüssen zurückzugehen. Die besten Sachen für mich sind halt diese freien Detroit-Sachen. Meine Definition von Techno ist, dass du eigentlich alles damit machen kannst, sehr frei sein kannst.

Du hast ja schon mit Inner City gearbeitet, vor kurzem erst wieder mit Derrick May aufgelegt. Wie siehst du deine Beziehung zu diesen Leuten in Detroit? Manche könnten dich ja sogar einen neuen Derrick May nennen, vor allem auch, weil er selbst so lange nichts mehr veröffentlicht hat...

Das ist für mich etwas schwierig zu beantworten. Ich respektiere diese Leute sehr und schätze ihre Arbeit, aber May oder auch Juan Atkins und Saunderson sind eben auch Freunde. Ich fühle mich immer noch geehrt, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Ihr Einfluss war für meine Musik auf jeden Fall sehr wichtig ist, aber unter einem musikalischen Gesichtspunkt sehe ich da zu mir schon einen Unterschied.

Siehst du als einen Aspekt der musikalischen Freiheit, die du betont hast, bei dir auch die Einflüsse asiatischer Musik, die du einbringst?

Ich suche immer nach etwas Ursprünglichem und zugleich Originellem. Und gerade asiatische Musik ist bei anderen Musikern vielleicht nicht so bekannt. Ich habe als Japaner selbstverständlich einen natürlichen Sinn dafür, asiatische Musik wahrnehmen, verstehen und dann einsetzen zu können. Vor allem bei der Rhythmik und den Percussions beziehe ich viele asiatische Einflüsse mit ein.

Kommen wir mal auf den Schaffensprozess des Album zu sprechen, zuerst vielleicht unter einem technischen Aspekt. Da finde ich vor allem interessant, wie du es schaffst, dieses klassische, analoge Feeling rüberzuringen, sozusagen zu übersetzen in digitale Produktionstechniken. Benutzt du z.B. noch viel altes analoges Equipment?

Ich bin nicht wirklich ein Analog-Fan, ich habe eigentlich nie mit einem echten analogen Synthesizer gearbeitet. Klar bin ich Detroit-Fan, aber ich will die alten Sachen natürlich nicht einfach imitieren. Der Spirit ist vielleicht der alte, aber die Technik, die ich verwende, ist doch ziemlich aktuell. Den Computer benutze ich allerdings vorwiegend als Sequencer und Mixer. Software-Synthesizer interessieren mich nicht besonders. Ich probiere sie zwar immer aus, aber die meisten machen nur andere Geräte nach. Ich bevorzuge Hardware-Keyboards und Synthesizer, da hat man mehr Möglichkeiten und kann eigene Sounds machen.

Und abgesehen vom Technischen: Hattest du ein bestimmtes Konzept fürs Album, eine vorher festgelegte Idee?

Schwer zu beantworten. Ich kann nicht ja oder nein sagen, weil meine prinzipielle Idee und auch der Anstoß, das Album überhaupt zu machen, war, möglichst natürlich zu sein und zu arbeiten. Das letzte Album "Flatspin" war zum Teil ein Soundtrack zu einem Film, also war die Hauptidee nicht meine. Aber "Future In Light" entstand aus meinen Touring-Erfahrungen der letzten Jahre, was ich gefühlt und erlebt habe in den verschiedenen Städten. Ich machte die Musik, die ich selbst wollte. Insofern gibt es kein verstecktes Konzept. Ich habe es sehr natürlich und auch ehrlich gegenüber meinem State of mind gemacht. In Japan erschien das Album schon letztes Jahr, und die Reaktionen waren wirklich sehr gut, was mich auch überrascht hat. Ich wollte, ja ich musste das Album einfach für mich machen, deshalb waren mir Kritiken gar nicht so besonders wichtig, aber die Reaktionen und der Erfolg haben mich sehr gefreut.

Was bedeutet neben der neuen Transparenz in deiner Musik der Titel "Future In Light"? Ein Stück heißt ja auch "Future Is What We Are".

In den derzeitigen Umständen und Weltverhältnissen sind viele Leute nicht glücklich oder positiv eingestellt, viele erleben Negatives, sind ängstlich, es geht ihnen nicht gut. Aber ich wollte etwas Positives, Strahlendes ausdrücken und rüberbringen - zumindest in der Musik! Musik ist einfach ein Ausdruck, eine Form von Kreativität, das, was Leute an positiven Ideen und Visionen schaffen können, und das soll der Titel ausdrücken. Und ich muss sagen, dass ich persönlich in den letzten Jahren auch wirklich gut drauf war, das fließt da natürlich auch ein. Außerdem beziehe ich den Albumtitel auch auf die aktuelle Technoszene, über die zum Teil schlecht geredet wird (die Musik sei immer nur dieselbe etc.). Ich will damit sagen, dass das so nicht stimmt, dass Techno ganz klar eine Zukunft hat - daher der Titel.

Du komponierst und produzierst immer mit bestimmten Bildern im Kopf, richtig? Könntest du die Bilder oder Vorstellungen für die Tracks auf dem neuen Album beschreiben?

Bilder und ganz allgemein Kunstwerke sind wie eine Anregung, eine Ermutigung für mich. Das kann alles mögliche sein: Grafiken, Installationen, Mode, Architektur. Wenn ich etwas Tolles oder Neues sehe, muss ich einfach gleich ins Studio gehen, und selbst versuchen, was Gutes zu schaffen. Ich denke mir: Dieser Typ macht sowas Interessantes, ich muss das auch versuchen. Es ist nicht wirklich eine direkte Umsetzung vom visuellen Input zum musikalischen Ergebnis, aber auf jeden Fall eine Anregung. Kunst gibt mir sehr viel Inspiration.

Es geht da also um ganz konkrete visuelle Eindrücke, nicht so sehr um Vorstellungen?

Ja.

Das Kölner Label Ware hat vor kurzem eine CD veröffentlicht, die in diese Richtung geht, elektronische Musik mit visueller Kunst zu verbinden: 10 MusikerInnen haben Stücke zu den Arbeiten von 10 FotografInnen produziert.

Ja, das ist eine gute Idee. Techno kann im Prinzip alles sein, kann mit allen möglichen anderen Ausdrucksformen verbunden werden. Es muss nicht nur Partymusik sein, es geht weit darüber hinaus.

Hast du ein Lieblingsstück auf der Platte?

Vielleicht "Auburnia", das mag ich sehr gerne. Als ich das zentrale Riff gemacht hatte - nur diese kleine, zwei Takte lange Melodie -, da fühlte ich wirklich, ich habe was Gutes gemacht. Das machte mich sehr zufrieden und glücklich. Ja, ich denke "Auburnia" ist mein Favorit.

Ich mag auch "Strobe Enhanced", das einen aggressiven Breakbeat hat. Wirst du wieder mehr in diese Richtung produzieren?

Nun ja, ich bin immer offen für alles. Dieses Album ist etwas mehr straightforward, aber für mich gibt es keinen großen Unterschied zwischen 4/4 oder Breakbeats - Hauptsache Beats, die dich groovy und glücklich machen.

www.kenishii.com
 
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last updated: 2009.08.26, 10:29