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alter ego - transphormer
klang elektronik

Alter Ego lassen Techno im eigenen Sud versauern, um ihn aus den porös gewordenen Resten in brutaler, aber konstruktiver und großartiger Form neu heraus zu ätzen. Hier wirkt der Soundtrack zum Eskapismus als Spiegel gesellschaftlicher Zustände.

Die beiden Frankfurter Roman Flügel und Jörn Elling Wuttke, in einem weniger knüppelnden Kontext durch ihre Alben unter dem Pseudonym Sensorama bekannt, haben über die letzten drei, vier Jahre hinweg die Hysterieschraube in ihren Tracks ganz schön angezogen. Speziell mit ihren Remixen - z.T. für so illustre Namen wie Cabaret Voltaire, Human League, Primal Scream und Chicks On Speed -, die jeweils zu Clubhits wurden, setzten sie immer wieder neue Standards an Übergeschnapptheit und Brachialität, schafften es bei aller stumpfen Funktionalität seltsamerweise jedoch immer, auch soundmäßig interessant, intelligent oder vielleicht einfach schlau zu sein. Und schon deshalb müssen sie als Avantgarde im Techno gelten. Mit "Transphormer", dem ersten Alter-Ego-Album seit acht Jahren, machen die beiden diesen Status auf eine völlig neue, unglaublich rockende Art geradezu unanfechtbar.

Die erste Single "Rocker" spricht schon im Titel eine unmissverständliche Sprache und bringt die aktuelle Rotzigkeit der Clubkultur auf den Punkt: Straight schnalzende Beats, die das genormte 4/4-Techno-Geboller schön alt aussehen lassen, treffen auf melodiöse, aber aufs Ärgste verzerrte Basslines und schrilles Synthiekreischen - und das alles eingebettet in Songstrukturen. Vieles, was nach White Stripe's "Seven Nation Army" als Technohit und vor dem anstehenden Acid-Revival in der Luft liegt, wird hier in einen Sound gegossen, der irgendwie traditionsbewusst und doch kein bisschen retro Zukunft buchstabiert und, wenn schon mit Begriffen geworfen werden soll, auf den Namen Digital Rock hören könnte. Trotz ungewohnter Strukturen und Punkattitüde stellt "Transphormer" so geradezu eine Essenz von Techno dar, nämlich von Techno als Idee und Verfahren: Einfachheit, crazy Sounds, Rhythmus und Experiment.

Neben dieser Neuerfindung des Alter-Ego-Sounds als Folge der genannten Remix-Serie und zahlloser Live-Auftritte bildet das Album jedoch auch Veränderungen ab, die mit dem uns alle betreffenden Draußen abseits vom Club zu tun haben: Es ist der kalte Wind von Sozialkahlschlag, von Präventivschlagsdoktrinen und von omnipräsenter Terrorangst und deren Folgen, der diesen Techno so rau und zerzaust frisierte. Weshalb eine Hinwendung der Popkultur zum Reaganschen 80er-Gefühl nur zunehmend konsequenter, echter und eben nicht mehr nur als ironisierter Modegag erscheint. Statt um Fatalismus und bloße Fluchtgesten oder einen Manierismus der Dekadenz geht es bei Alter Egos kompromissloser Härte aber um das Schaffen und Schöpfen neuer Energien, um positives Empowerment im Club, wie es von jeher in aggressiven Jugendkulturen stattfindet. Und deshalb auf ein Neues: Tonight I'm gonna party like it's 1999.

www.ongaku.de

Hier ein ausführliches Interview zu "Transphormer" mit Roman Flügel und Jörn Elling Wuttke.
 
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last updated: 2009.08.26, 10:29