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ken ishii - future in light |
exceptional |
"At 00:01 AM precisely on November 1st 1995 a new type of electronic bomb exploded over the metropolitan area of Tokyo, spreading its shockwave over the rest of the world in circles."
Was Mitte der 90er auf dem Cover von Ken Ishiis Erfolgsalbum "Jelly Tones" zu lesen war, kann 2003 angesichts der Ereignisse der letzten Jahre und besonders der letzten Wochen im besten Fall nur mehr kalte Schauer verursachen. Von der martialischen Sicht auf Musik als Partybombe, als Floorgranate, als Waffe - gerade auch in der schrecklichen Wendung einer Waffe für den Frieden - haben wir uns hoffentlich gelöst. Ken Ishii ist seit seinen ersten Veröffentlichungen 1993 und seit "Jelly Tones" einen weiten Weg rund um die Techno-Welt gegangen und wirkt nun durchaus nicht wie der Typ, der gerne mit unreflektierten Skrupellosigkeiten für Bombenstimmung sorgt. "Future In Light" betitelt Ishii sein siebentes Album und setzt damit sehr bewusst der Besorgnis und den Ängsten vieler Menschen eine positive Kraft gegenüber: die Energie und Euphorie seelenvoller Tanzmusik, die das erste Stück der Platte, "Awakening", bereits vollkommen auf den Punkt bringt.
Mit den Strings of his Life, viel Percussion und einer treibenden Bassline verwirklicht Ken Ishii seine musikalische Vision von Optimismus. Und natürlich steht hier auch gleich der Sound bzw. das Wort im Raum, das "Future In Light" so eindeutig dominiert: Detroit. Dieses Erbe ist in jeden einzelnen Klang des Albums eingeschrieben, und natürlich muss im Besonderen ein Name fallen. Bei der Bemerkung, dass man leicht versucht sein könnte, ihn als einen neuen Derrick May zu bezeichnen, vor allem, weil der echte schon so lange nichts mehr veröffentlicht, muss Ken Ishii erst mal lachen. Er betrachtet May, Atkins und Saunderson nicht nur als wichtige Einflüsse, sondern auch als seine Freunde, pocht aber zugleich auf seine Eigenständigkeit als Musiker. "Die Offenheit von Techno in seinem ursprünglichen Sinn ist meine wesentliche Inspiration. Früher war Techno nicht nur ein Stil oder eine Musik, sondern ein alles umfassender Lifestyle, sehr offen und frei. Ich habe versucht, auf dem Album möglichst viele unterschiedliche Einflüsse in Beat-orientierten Techno reinzubringen."
Der Drang zurück zu klassischem Techno zeichnete sich bereits auf dem letzten Album "Flatspin" deutlich ab, doch hat nun eine bisher nicht gekannte Luzidität Einzug gehalten. Ken Ishii vollzieht somit im Freiraum seiner kreativen Arbeit eine Gegenbewegung: weg von Hektik und Sprunghaftigkeit, weg von der Big-Beat-Phase, die mit diesem Schlagwort natürlich unzureichend beschrieben ist, weg von der Düsternis hin zu dieser strahlend hellen Zuversicht, auf die der Albumtitel verweist und die der Track "Future Is What We Are" nochmals deutlicher ausdrückt. Alles klingt hier ungemein energetisch und euphorisch, im Vergleich zu seinen anderen Alben mehr straightforward, wie Ishii auch selbst sagt. Die Orientierung zurück zu den Wurzeln, zurück zu dem Sound, der ihm den letzten Anstoß gab, selbst Musiker zu werden, damit also zurück zu sich selbst, bedeutet aber auch eine Einengung. Die Rückbesinnung, die Ishii ganz öffentlich als eine historisierende Abarbeitung an sehr Geschätztem aber auch sehr Bekanntem vollzieht, wirkt sich in kreativer Hinsicht einschränkend aus. Ich werde zwischendurch den Eindruck nicht los, dass "Future In Light" irgendwie zu klassisch geraten sein könnte und Ishii die Freiheit und Offenheit von Techno, die er doch so betont, nur etwas verhalten in Anspruch nimmt.
Auf ganze Albumlänge gesehen hätten einige Ausflüge in - warum nicht auch etwas düstere - Zwischenwelten keineswegs geschadet. Zehn Tracks pausenlose Straightforwardness lassen mich recht atemlos und wie überrollt zurück. Reicht es denn, wenn der neue Derrick May im Jahre 2003 klingt wie ein aktualisiertes Original? Für eine gut rockende klassische Techno-Scheibe auf jeden Fall, Sensationen und Unerhörtes sucht mal lieber woanders.
Das Interview zur Review.
www.exceptionalrecords.co.uk
www.kenishii.com
(2003.04.28, 13:08) |
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