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Das schmutzige F-Wort
 
Wieso sträuben sich eigentlich so viele Frauen, sich als Feministinnen zu deklarieren, auch wenn sie letztlich feministisch handeln und leben?
(2003.05.21, 14:44)

Über die Angst vor dem großen F-Wort.

Als ich letztens in der deutschen Zeitschrift Allegra blätterte, die mir von einem Kollegen als bestes, da progressivstes Frauenmagazin empfohlen worden war, stieß ich auf ein Interview mit Drew Barrymore. An einer Stelle beklagt sich die Schauspielerin darüber, dass Männer heute in Hollywood immer noch weitaus mehr Geld verdienen als Frauen, was doch eigentlich sehr ungerecht sei. Als die Interviewerin nachhakt, springt Barrymore sofort in die Defensive und wehrt erschrocken ab: sie sei meilenweit davon entfernt, Feministin zu sein, man solle sie bitte nicht falsch verstehen, sie hasse die Männer nicht.

Keine Sorge, ich glaube, wir haben schon ganz richtig verstanden. Die Angst, als unattraktive, verkniffene und von Hass erfüllte Männerfeindin gebrandmarkt zu werden, sobald man sich offen als Feministin deklariert, ist anscheinend auch im Jahr 2003 noch groß genug, um sofort die Selbstzensur in Gang zu setzen. Und auch die so primitive wie absurde Gleichung, die Engagement für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen mit Männerhass gleichsetzt, ist auch viele Jahrzehnte nach dem In-Gangkommen der ersten, zweiten und mittlerweile schon dritten Frauenbewegung offensichtlich nicht aus den Köpfen der Menschen zu löschen. Ich selbst habe noch nie eine Feministin getroffen, die per se etwas gegen die Spezies Mann einzuwenden gehabt hätte, denn der Zorn richtet sich ja gegen die von Männern betriebene Unterdrückung bzw. Benachteiligung von Frauen, an der durchaus auch Frauen beteiligt sein können. Wenn ich nicht wüsste, wie weit verbreitet diese Ansichten sind, käme es mir lächerlich vor, hier solche Binsenweisheiten wie "Hey, Feminstinnen hassen Männer NICHT!" rauszuhauen.

"I'm not a feminist, but..."

Doch Drew Barrymore steht mit ihrer von wenig Durchblick, aber umso mehr Populismus geprägten Äußerung, die so überhaupt nicht mit ihrem selbstbestimmten Leben als erfolgreiche Schauspielerin und Produzentin zusammenzupassen scheint, natürlich bei weitem nicht alleine da. Diese Haltung wurde einmal ganz schön als "I'm not a feminist, but..."-Phänomen beschrieben, denn sehr viele Frauen leben und handeln nach feministischen Grundsätzen, wollen aber partout nicht Feministin genannt werden. Warum? Weil Feminismus nicht mehr zeitgemäß ist? Wohl kaum, wenn man sich die Frauenquoten in den oberen Etagen in Politik, Wirtschaft, Bildung, die Gehaltsschere, die Verteilung von Hausarbeit etc. anschaut. Weil sich die Menschen heutzutage nicht mehr gerne von politischen Bewegungen vereinnahmen lassen? Der weltweite Aktionismus von GlobalisierungsgegnerInnen beweist das Gegenteil. Der Grund für das unattraktive Flair von Feminismus liegt wohl eher darin, dass die Medien von Anfang an einem äußerst unglamourösen Bild der Frauenbewegung gestrickt haben, das immer schon suggeriert hat, Frauen würden ihre "Weiblichkeit" verlieren, sobald sie sich auf diesen "Kampf der Geschlechter" einließen. Wer kann nicht die Oberflächen-Klischees, die zu einer "Emanze" (großes Schimpfwort der 80er, übrigens) gehören, runterbeten - lila Latzhose, ansonsten in sackförmige Jute gekleidet, ohne BH (wurde in der Mülltonne verbrannt), unrasierte Achseln und Beine, möglichst asymmetrischer Haarschnitt. Davon abgesehen, dass diese Styling-Mythen einfach in ihrer Herkunft aus den Öko-80ern verhaftet sind, gibt es wohl nicht viele Menschen, die solche Klischee-Feministinnen kennen - und auch wenn, wäre das nur eine legitime Facette unter vielen. Denn Feminismus ist ja kein Lifestyle, sondern das Streben nach Gleichberechtigung, das sich nicht in irgendwelchen idiotischen Dress Codes niederschlägt.

Gefallen und geliebt werden

Ein anderer Grund, warum viele Frauen immer noch
Probleme mit dem F-Wort haben, ist sicher der, dass besonders Mädchen schon von frühester Kindheit an darauf gepolt werden, zu gefallen, gemocht und später auch besonders von Typen geliebt zu werden. Wenn sie sich nun mit einer Bewegung gemein machen, die scheinbar Männer und tatsächlich doch nur ihre Privilegien ins Visier nimmt, haben viele schlicht Angst, nun nicht mehr zu gefallen und nicht mehr geliebt zu werden. Außerdem, das muss hier auch gesagt werden, ist es ja immer irgendwie einfacher, sich auf die Seite der Stärkeren zu stellen, und das sind zur Zeit in unserer Gesellschaft immer noch die Männer. Dabei, und das vergessen leider viele, geht es dem Feminismus ja nicht nur um die Befreiung der Frau, sondern, neben der Tilgung sozialer und rassistischer Ungerechtigkeiten, auch um die Befreiung des Mannes. Denn so wie die Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft in vorgefertigte Rollen gedrängt werden, so ergeht es auch den Männern, mit dem natürlich nicht unerheblichen Unterschied, dass diese Positionen meistens privilegierter sind. Trotzdem gibt es auch immer mehr Männer, die unter diesen rigiden Geschlechterschablonen leiden oder auch darunter, dass Frauen benachteiligt werden - genau wie Weiße darunter leiden, dass Menschen anderer Hautfarbe diskriminiert werden. Wie lange wird es also noch dauern, bis das F-Wort nicht mehr schmutzig ist? | fm4.orf.at apr 03
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