Women Ahead Of Their Time
Unter der markigen Headline "Grlz - Women Ahead Of Their Time" erscheint eine Compilation mit Musik visionärer Protagonistinnen der Punk- und Wave-Ära.
(2005.11.04, 18:00)
Als selbstironischen Witz vorweg die eitle Frage: Wurde diese Compilation von frühen, visionären Punk- und Wavemusikerinnen etwa extra für mich zusammengestellt? Um mich glücklich zu machen? Wohl kaum. Dass dem nicht so ist, ist ein beflügelndes Gefühl, das vermittelt, dass sich noch mehr Leute als meine Freundinnen und ich für die recht marginalisierte Geschichte der Frauen in den Anfängen von Punk interessieren müssen. Das zeigen natürlich unter anderem auch die diversen tollen Coverversionen von beispielsweise den Chicks on Speed aus dieser Epoche, zu denen sich auch ein Original, Delta 5s grandioses "Mind Your Own Business", auf dieser Sammlung findet.
Die Auswahl der zwölf Stücke, die sich recht lose um die Koordinaten Ära und Geschlecht rankt, springt genau da in die Bresche, wo man die Namen Au Pairs, Raincoats, Kleenex und Malaria vermutlich schon mal gehört hat, Ludus, Rip, Rig and Panic (mit Neneh Cherry!) Maximum Joy und JaJaJa aber vielleicht noch nicht. Die Bevorzugung ästhetischer und Rareness-Kriterien vor politischen, die aber in den ausführlichen Liner-Notes doch noch zu ihrem Recht kommen, steht "Grlz" insofern gut, als jedes einzelne der Stücke nicht in erster Linie als Zeugnis, sondern als Hit funktioniert. Auch wenn man weiß, dass sich heute die Vorstellung von dem, was Punk leisten könnte, sehr weit von dem entfernt hat, was er tatsächlich mal wollte und konnte, ist es doch immer wieder belebend, vorgeführt zu bekommen, wie groß damals die Nähe, besonders an der Schnittstelle zu New Wave, zu "unweißen" Genres wie Dub, Reggae, Funk und auch Disco war. Und wie selbstverständlich Axiome wie Tanzbarkeit und "Groove" betont wurden.
Dass der Akt der Selbstermächtigung im Punk, angeschoben durch die Frauenbewegung der 70er und radikale feministische Positionen von Künstlerinnen wie Valie Export, besonders bei Frauen regelrechte kreativ-politische Explosionen bewirkte, wird neben der für sich sprechenden Musik im Booklet exemplarisch durch Anekdoten, die z.B. den Sexismus von Tony Wilsons Hacienda bloß stellen, schön belegt. Was auch einer gewissen Ironie im Rahmen einer Veröffentlichung auf einem Imprint wie
Crippled Dick Hot Wax nicht entbehrt, das vor nicht allzu langer Zeit noch maßgeblich für Retro-Softsex-Kitsch wie Vampyros Lesbos oder Schulmädchenreport berühmt war. Mit dieser Sorte Compilations sollen sie aber bitte Regale zupflastern. |
intro aug 05