plastikmädchen
texte zu feminismus und popkultur
 
musik

buch

comic

film/tv

mädchen

alltag

wer

was


home


xml version of this page
Robots In Disguise
 
Was zunächst klingt wie ein knallendes Nebenprojekt von Le Tigre, entpuppt sich als großartige zweite Platte des britischen Duos Robots in Disguise: Funk-Punk-Disco mit Attitude.
(2005.11.14, 20:20)

Double X and proud of it

Was ist denn das? Ein Nebenprojekt von Le Tigre? Hochgepitchte, mehrstimmige Frauenschreie, rumpelige Gitarren und Bässe, poppige Keyboards, schrille elektronische Samples mit sloganhaften, politisierten Texten. Nein, das ist das neue, zweite Album von Robots in Disguise, "Get Rid", das die introspektiven, sphärischen Songs, die einen guten Teil des von mir so geliebten Debüts einnahmen, mit einer rotzigen Funk-Punk-Energie wegbläst, die begeistert nach Luft japsen lässt. Wo das erste Album mit dem damals noch nicht völlig inkriminierten Begriff "Electroclash" flirtete, stampft jetzt der Discobass wütend mit dem Absatz auf und verzerrte Gitarren schrammen über den Dancefloor.

"Eigentlich ist es ganz schön schmerzhaft, immer mit dieser hohen Stimme zu kreischen", gibt Sue Denim, ein Teil des weiblichen Duos, grinsend zu, als ich sie in einem Café am Wasserturm im Prenzlauer Berg treffe. Die Wohnung, die sie die Hälfte der Zeit, wenn sie nicht in London ist, mit Hubby Chris Corner bewohnt, ist um die Ecke. Trotzdem ist die kunstvoll gebügelte (Pony) und gelockte (der Rest) platinblonde Frisur der Stylerin durch den mitten im Sommer auf einmal aus den Wolken fallenden Hagel auf den Paar Metern in Mitleidenschaft gezogen worden. Was sie aber mit Humor nimmt und erst mal eine verblüffend realistische Imitation von Iggy Pops Tanzstil liefert, den sie gerade auf einem Festival in Belgien gesehen hat - wo er seine Hose weit runtergezogen, seinen Schwanz aber eingepackt gelassen habe.

Nachdem unser hysterisches Gegiggel über die Iggy-Anekdote ein bisschen verebbt ist, erklärt Sue, der verblüffend neue Sound der Robots käme nicht von einer bewussten Abwendung vom mittlerweile völlig diskreditierten Genre Electroclash, dem sie sich sowieso nie zugerechnet hätten, sondern einfach durch den Umstand, dass die langsameren Songs des letzten Albums live keinen Spaß gemacht hätten.

"Wir wollten zusätzlich, dass das komplette Album homogen klingt, deswegen haben wir die mellow songs weggelassen. Bei unserer ersten Platte haben wir noch viel experimentiert, uns quasi im Dunkeln nach vorne getastet, was man sicher hört, was aber auch wichtig ist. Denn viele Leute, die Musik machen wollen, nehmen einen Song nach dem anderen auf, ohne je etwas zu veröffentlichen, weil sie nie zufrieden sind und besessen von der Suche nach dem perfekten Sound. Wir hingegen haben alles veröffentlicht, was wir je aufgenommen haben - wie man sehen kann, ist das nicht so wahnsinnig viel!"

Außerdem sollte jeder der neun Songs als Single funktionieren können - was man angesichts der tight komprimierten, inektiösen Catchiness zwischen Garage und Discokugel sofort unterschreiben möchte. Als Produzent wurde, wie schon von Anfang an, wieder Chris Corner ins Studio gesetzt, dem die beiden Mädchen dabei unentwegt auf die Finger schauten und mit dem basisdemokratisch der neue Sound ausgetüftelt wurde. Aufgrund akuten Zeitmangels - der Sneaker Pimp steckt nicht nur wegen seiner Zweitband I Am X bis zum Hals in Arbeit - müssen sich die beiden College-Freundinnen aber wohl bald nach einem neuen Producer umsehen, der aber nicht viel kosten darf: am besten gar nichts. Denn die Band surft auf der Oberfläche des Dispos und die beiden Members halten sich gerade mal so mit DJ- und anderen Jobs über Wasser. Auch ein Aspekt von Punkiness.

Als ich eure neue Platte zum ersten Mal gehört habe, dachte ich, das ist ein Projekt von Le Tigre.

Klingen wir jetzt wirklich so anders? Wow. Aber das erste Lied ist ja auch "Girl", da passt dieser Vergleich schon. Darin singen wir über Sprache, es ist ein feministischer, ziemlich humoristischer Blick auf all die blöden Ausdrücke, mit denen Männer Frauen belegen.

Wie kommt es, dass eure Texte jetzt so viel sloganhafter als früher sind?

Sind sie das? Auf dem letzten Album waren sie mäandernder, poetischer, wobei wir auch diesen Aspekt bis zu einem gewissen Grad beibehalten wollten. Aber du hast Recht, viele der Lyrics könnte man sich auch als T-Shirt-Sprüche vorstellen!

Ist "Turn It Up", in dem ihr ganz viele Artists, Platten und Songs droppt, eure Hommage an Personen und Dinge, die euch beeinflusst haben? Ist das so etwas wie euer "Hot Topic?"

Es ist über alles, was uns irgendwas gegeben hat. Am Anfang war es nicht als "Hot Topic"-Song intendiert, denn es ging um die Sachen, die uns eher emotional denn rational angesprochen haben, aber ich vermute, letztlich ist es doch so was Ähnliches geworden.

Wie wichtig ist Humor für euer Verständnis von Musik und Performance? Eure Live-Performances mit selbstgemachten Kostümen und lo-fi Cheerleader-Gymnastik haben ja schon eine sehr ironische Camp-Ästhetik.

Neben dem emotionalen Aspekt, der für uns fast das Entscheidendste ist, ist das bis zu einem gewissen Grad schon wichtig. Sich über alles lustig zu machen und uns selbst nicht so ernst zu nehmen ist Teil unserer Persönlichkeiten, daher ist das sowieso immer vorhanden. Es gibt ja genug Leute, die nicht ein einziges Mal während ihres Auftritts lächeln. Können sie ja gerne machen, aber wir finden das blöd.

Apropos: Wie steht ihr denn dann zum Hype um die neuen britischen Wave-Rock-Bands?

Die Musikszene in Großbritannien ist im Moment sehr Männer-zentriert: es geht nur noch um vier Jungs mit Gitarren in Garagenbands - The Lads, so könnte man diese Bands eigentlich auch alle nennen. Wir passen nicht in dieses Bild. Ich will nichts Schlechtes über andere Musiker sagen und ich bin auch sicher, dass sie alle hart gearbeitet haben, blabla, aber eigentlich ist das doch bullshit. Ich lehne die Mechanismen der Industrie ab, irgendwas aufzubauen und hochzuhypen, um es dann wieder demontieren und den nächsten Trend abfeiern zu können. Ich glaube auch nicht, dass die KonsumentInnen unsere Musik nicht mögen, sondern dass es die Industrie ist, die einfach nicht daran interessiert ist. Das liegt sicher auch daran, dass wir Frauen sind und nicht in ihr vorgefertigtes Konzept von einer Band passen. Dieser "Nachteil" ist aber wiederum einer unserer größten Vorteile, finde ich. Denn weil wir Frauen sind, wird sich unsere Musik immer vom Großteil der anderen Bands abheben, denn die Mehrheit der Bands ist männlich. Wir haben einfach eine andere Perspektive auf die Dinge.

Ihr habt ja kein britisches Label, sondern ein französisches, auf dem "Get Rid" schon vor einem Jahr veröffentlicht wurde, und jetzt auch ein belgisches und ein deutsches. Nimmt euch die britische Presse denn überhaupt zur Kenntnis?

Im UK sind wir viel weniger bekannt als auf dem europäischen Festland. Durch eine japanische Compilation, für die wir einen Kinks-Song gecovert haben, kamen wir in Kontakt mit dem englischen Publisher der Kinks. Der fand unser Cover so gut, dass er jetzt unsere Platte im UK rausbringen will. Und als wir letztens in London das Video für "Turn It Up" gedreht haben, konnte man an der vehementen Reaktion der Leute ablesen, dass wir da schon was ansprechen. Diese Leute kennen uns aber nur über das Internet und nicht durch unsere Releases.

Hat denn der NME jemals über euch berichtet?

Oh ja! Sie haben uns "the worst band in Britain" genannt. Das war so ziemlich alles, was sie über uns zu sagen hatten. Die sind so widerlich und betreiben wirklich einen jämmerlichen Journalismus. Ich kenne auch niemanden, der das Heft kauft, wird das echt gekauft? | intro okt 05
kontakt