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Eigenbrötler und Studentinnen
 
Erzählungen von Tanja Dückers im "Café Brazil" und "Eine CD lang" Liebesgeschichten von Rosemarie Poiarkov.
(2002.07.27, 16:31)

"Café Brazil" - der Titel des neuen Buches von Tanja Dückers beschwört Bilder von schönen, jungen Menschen herauf, die in hippen City Locations ihren Milchkaffee schlürfen und Buena Vista Social Club echt berührend fanden. Die satten Brauntöne des gemalten Covers tun ein Übriges, eine Text gewordene Version der x-ten Café del Mar-Compilation mit ihrer fluffig-harmlosen Sommermucke für trendy Urbanites befürchten zu lassen. Sind die hedonistischen Neuberliner Partykids aus Dückers' Romanerstling "Spielzone" (1999) etwa erwachsen geworden und arbeiten nun in einem Multimedia-Start up in Mitte?

Mitnichten, denn hier liegt der Fokus auf ganz anderen Typen. In den 18 Erzählungen werden Momentaufnahmen aus dem Leben verschiedenster GrenzgängerInnen vermittelt, die vom Mörder über das kleine Mädchen bis zur verwirrten Oma so ziemlich alle erdenklichen menschlichen Positionen umfassen. Die Autorin schlüpft zumeist als Ich-Erzählerin in die Haut der Hauptfigur, um unmittelbarer von den Überschreitungen und kuriosen Erlebnissen ihrer gewollt eigenbrötlerischen und so gar nicht hippen ProtagonistInnen zu berichten.

Womit wir aber auch schon beim Handicap des Werks angelangt wären, denn warum sollte ich der Dückers den autistischen Rächer am Mord der kleinen Schwester oder den lebensmüden Sekretär, der von seiner erfolgreichen Frau getötet werden möchte, abkaufen? Zu angestrengt feinpsychologisch und dabei doch schablonenhaft wirken die Skizzierungen dieser Extremcharaktere, und man wünscht sich, die Autorin hätte uns stattdessen mehr Geschichten von apathisch auf Berliner Sofas rumlümmelnden Jungerwachsenen erzählt. Die sind glaubhafter und interessieren mich ehrlich gesagt auch mehr - solange sie keine Café del Mar-AbonentInnen sind...

Die Referenz an Musik trägt der Erzählband "Eine CD lang - Liebesgeschichten" von der in Wien lebenden Badnerin Rosemarie Poiarkov mit seinem bewusst popheischenden Titel so deutlich vor sich her, dass man neugierig seine Nase in den mintfarbenen Erstling versenkt, um endlich etwas über Popliteratur aus Österreich zu erfahren - so es sie denn gibt.

Doch statt einem luftigen Ausflug in bunte Alltagswelten - denn mehr muss es ja gar nicht sein - erwartet einen eine zähe Mischung aus gewollt philosophischen, frei assoziierten inneren Monologen, tagebuchartigen Aufzählungen verschiedener Männer und ihrer Vor- und Nachteile, und "schonungslosen" Schilderungen großstädtischer Promiskuität. So ist also das Leben der Studentinnen, immer zwischen einem Glas Rotwein, einer Zigarette und dem nächsten One-Night-Stand, dabei selbstverständlich in tiefschürfende Gespräche verwickelt, nicht? Streckenweise erinnert das Buch an lästige Endlosmonologe einer betrunkenen Partybesucherin, die einem den ganzen Abend partout nicht von der Seite weichen will. Zum Glück gibt es auch lichtere Momente: wo die Autorin das sich immer im Kreis drehende studentische Milieu verlässt und beispielsweise eine Urlaubsreise mit ihrem Bruder schildert, klart der Horizont auf.

Tanja Dückers. Café Brazil. Erzählungen. Aufbau Verlag, Berlin 2001. 203 Seiten.

Rosemarie Poiarkov. Eine CD lang. Liebesgeschichten. Zsolnay, Wien 2001. 191 Seiten. | nylon juni 01
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