Peaches
Statt einer Männerphantasien-Weichspül-Knutscherei zwischen Madonna und Britney will Peaches lieber Snoop und Ludacris in schwitziger 69-Action sehen - und so klingt auch ihre neue Platte.
(2006.07.18, 16:10)
Peaches, die man hier immer noch liebevoll und vereinnahmend als Berlin-Underground-Entdeckung ins Taschentuch eingeknüpft hat, ist international längst auf dem Superstar-Level angekommen. Dafür bürgt nicht nur ihre Zusammenarbeit fürs dritte Album "Impeach My Bush" mit QOTSAs Josh Homme, Hardrock-Godmother Joan Jett und Beck-Produzent Mickey Petralia und die Tatsache, dass Pink einen Track wollte (und bekam) und Britney anfragen ließ (und nichts kriegte). Sondern auch die von Merrill Nisker selbst ungläubig erzählte Geschichte, dass Kelis backstage "Fatherfucker" laufen ließ, und als die CD hängen blieb, die zufällig anwesende Björk prompt ihr Exemplar helfend aus der Handtasche zog.
Wer jetzt aber von "Impeach My Bush" eine Rundum-Erneuerung erwartet, dem ist mit dieser Platte leider nicht zu helfen: Peaches ist kein Novelty-Act, der sich jedes Mal neu erfinden muss, sondern sie beschreitet ihren damals noch in das längst vertrocknete Electroclash-Beet eingepflanzten Weg, der sich nicht um Unterscheidungen zwischen Cock Rock und Sleaze-Elektronik schert, konsequent weiter. "Powerhouse" ist die einzige Währung, die Peaches interessiert. Und natürlich die radikale Emanzipation von nervtötenden Rollenklischees. Wenn sie den Refrain ihres Stückes "Boys Wanna Be Her" brüllt, kann man fälschlich durchaus "Boys wanna beaver, girls wanna beaver" verstehen: Biber, nicht nur dieses halb-possierliche Nagetier, sondern auch ein amerikanischer Kosename für das flaumig bis drahtig behaarte weibliche Genital (wie natürlich auch "Bush"). Gar nicht so abwegig bei dem gerne als Sex-Fiend gehandelten kanadischen Exportartikel, aber dann doch die verkehrte Richtung. Denn was Peaches sehen will, ist (endlich) weniger Konzentration auf den weiblichen Körper als Erotik-Fetisch im Pop, sondern (endlich) Vortritt für die Männer.
Was auf "Fatherfucker" mit "Shake Yer Dix" schon deutlich ausformuliert wurde, findet jetzt in Stücken wie "Two Guys For Every Girl" eine variantenreiche Fortsetzung: "I wanna see boys get down with each other" annonciert sie, und im Interview mit der Zeitschrift Bust winkt sie, angesprochen auf das Vorbild-Potenzial des inszenierten Britney/Madonna-Kusses, müde ab und entgegnet: "It?s about time Pharrell Williams and Justin Timberlake or Snoop Dogg and fuckin? Ludacris suck each other?s dicks for everybody to see, and release a video." Subtil ist das nicht, sondern schon eher sehr pragmatischer, symbolträchtiger "Hands-on-Feminismus", wenn dieses schlüpfrige Wortspiel an dieser Stelle erlaubt sei - in entfesselt röhrender, kickender Ummantelung, die musikalisch nichts zu wünschen übrig lässt. Dass diese Kombi dabei so viel Breiten-Appeal entwickelt, ist so unglaublich, dass ich unser Glück gar nicht fassen kann. |
intro juni 06