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Reife Characters
 
Eins ist ja wohl von Anfang an klar: Mit ihrer dritten Platte sind Britta aus Berlin um "Lichtjahre voraus".
(2003.09.22, 19:15)

Was habe ich mich damals gefreut, als Kerstin Grether in einem Intro-Artikel forderte, Britta-Songwriterin Christiane Rösinger doch bitte endlich die gleiche kultische Verehrung für ihre tollen Texte zuteil werden zu lassen wie z.B. Jochen Distelmeyer. Schon die Lassie Singers, in denen Christiane zusammen mit Almut Klotz soziale Wahrheiten verdammt lustig und bleibend auf den Punkt brachte, wurden als erfolgreiche Spaßtruppe verkannt, und Christianes Nachfolgeprojekt Britta galt dann, leicht ratlos, als "diese Frauenband mit den introspektiven Texten und den traurigen Melodien".

Jetzt erscheint mit "Lichtjahre voraus" (Flittchen Records / Efa) das dritte Album der vier Berlinerinnen auf ihrem eigenen Label, und ihr witty melancholischer Indie-Pop wird wahrscheinlich wieder nicht beim Rock am Ring, See, Park etc. der ganz großen Masse zugänglich gemacht werden. Aber "Wir wollen da gar nicht hin / Und es tut auch nicht mehr weh / Und wenn ich mich so umschau, / Sowieso nur Bands mit Jungs / Und die wollen ja keine Veränderung" singen Britta im Titelstück, und setzen dann forsch und selbstbewusst drauf: "Und sieht's auch nicht so aus / Wir sind um Lichtjahre voraus."

"Man hört ja immer von anderen Bands, wie schrecklich es auf diesen Großveranstaltungen ist, aber natürlich hat man manchmal auch so Allmachtsfantasien und stellt sich vor, wie man dort auf der Bühne steht", meint Christiane grinsend. "Aber wir sind natürlich schon eher eine Clubband, und es ist auch ein schönes Gefühl zu wissen, dass man das alles ganz alleine, ohne Major-Power, geschafft hat."

Die Platte, die wieder im französischen Blackbox-Studio aufgenommen wurde, in dem der gute Geist Steve Albinis weht, setzt dem Jugendlichkeitswahn der Popindustrie die Band als Zusammenschluss reifer Characters entgegen: "Wir wollten uns im Artwork wie so eine dekadente französische Familie präsentieren und uns dabei fast noch älter bzw. erwachsener geben, als wir sind."

Die Texte atmen dabei aber keinerlei Altersmürbheit aus, sondern samplen pastiche-artig mit unzähligen Zitaten - von Yves Rocher über Heine, Simone de Beauvoir, Drafi Deutscher, Badesalz bis zu Huah! und Parole Trixi - aus dem kollektiven Bewusstsein. Dabei werden uns allen so teure gesellschaftliche Sackgassen wie Liebe ohne Unterdrückung et al, die man sich immer so wünscht, die es aber nie gibt, in catchy Indie-Songs verhandelt. Und die sollten, verdammt noch mal, endlich alle mitbrüllen. | intro sep 03
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