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Sexy Werwolf
 
Peaches ist ganz einfach "tha bomb". Dass sie die Königin der aggressiven Sexiness war, ist und bleibt, beweist sie eindrucksvoll mit ihrem zweiten Album "Fatherfucker".
(2003.09.26, 20:31)

Peaches ist die Königin der aggressiven Sexiness - first and last and always. Seit ihrem ersten Album "The Teaches Of Peaches" (2000), auf dem sie aus pinken Hotpants mit dreckig minimalen Grooves und Rhymes direkt in die Gesichter der überrumpelten HörerInnen explodierte, ist klar: there is only one peach. Neben all der Euphorie über den ironischen female Sexprotz und das übercatchy Beatgerumpel kräuselten sich aber bald auch manche Nasen: neben verschreckten Männchen und feingeistigen Elektronik-Sensibelchen, gab es bald auch ZweiflerInnen, die sich fragten, inwieweit hier nicht doch alten Klischees zu weiblicher Attraktivität Vorschub geleistet würde. Ist die Selbstausbeutung des weiblichen Körpers denn okay, so lange das Objekt auch Subjekt ist? Dass es der in Berlin lebenden Kanadierin aber um mehr geht als höher-schneller-weiter Horizontal-Prahlereien, machen schon Titel und Cover des neuen Albums klar: mit langwimprigen, treuherzig blauen Augen schaut sie aus einem von einem stattlichen Bart umrahmten Gesicht, über ihr in Def-Leppard-Schrift ihr Name, daneben zart auf den Rand geprägt der Titel (um große Musikketten nicht zu verprellen): Fatherfucker.

"Ich finde,das Wort 'Motherfucker' ist eines der beleidigsten, schockierendsten Wörter überhaupt. Es ist mittlerweile so fest im täglichen Sprachgebrauch verankert, dass die Leute es bestimmt zehnmal am Tag gebrauchen. Mein Gedanke dazu war dann, Hey, Motherfucker ist vorbei, dieser Ausdruck bedeutet mittlerweile eigentlich rein gar nichts mehr. Ich wollte aber keine moralische Gegenposition aufbauen und sagen, oh, dieses schlimme Wort dürfen wir nicht mehr aussprechen - das bringt ja nichts. Ich finde bloß, dass wir im Gegenzug dann eben auch Fatherfucker sagen sollten. Und wenn es lockere Sprüche gibt wie 'shake your tits', dann sollten wir eben auch sagen 'shake your dicks'. Es gibt schon Leute, die mich fragen, ob ich nicht glaube, dass das die Männer beleidige, aber wie oft wurde schon gesagt, los, Mädels, schwenkt eure Titten oder euren Arsch? Ich will den Typen einfach eine Chance geben, denn irgendwie tun sie mir ja leid, weil immer nur die Mädchen schütteln dürfen und nie die Jungs."

Peaches sitzt mir in einem schick-schief gewickelten Hemdblusenkleid gegenüber und grinst ein bisschen, als sie das mit den armen Jungs sagt. Nicht irgendwie abfällig oder zynisch, sondern amüsiert und ironisch. Während unseres Gesprächs in einer ehemaligen DDR-Komsomolzen-Bettenburg am Alexanderplatz, in dem sie sich als extrem professionelle und angenehme Interviewpartnerin entpuppt, wird schnell klar, dass es ihr, trotz der amüsanten zwischengeschobenen Anekdoten, ganz schön ernst ist um ihre inhaltlichen Anliegen. Ich bin überrascht von ihrer sehr nüchternen und dabei fast mädchenhaft hohe Stimme, mit der sie ruhig und reflektiert über ihre neue Platte auf dem neuen Label spricht.

Ich habe ja gehört, dass es ein richtiges Gerangel um deine neue Platte gab, für die letztlich ja das britische Label XL den Zuschlag bekommen hat.

Ach so? Ich bin ja immer noch bei Kitty-Yo und habe nun nur einen Vertrag über zwei Platten mit XL, die zwar ein großes Label sind, aber trotzdem noch unabhängig und an keine andere Firma angegliedert. Nach meinen katastrophalen Erfahrungen mit meiner Single "Set It Off" bei Sony habe ich auch wirklich keine Lust mehr auf Majors.

Was genau ist denn da schief gelaufen?

Es war sehr hart, das Video zu "Set It Off" so durchzusetzen, wie ich es wollte. Ich war über die deutsche Version nicht gerade glücklich, weil sie da einen Haufen glamourösen Schnickschnack hinzugefügt haben -dabei wollte ich einfach nur, dass es ein Hairgrowing Video ist. Mir wurde gesagt, im Video müssten unbedingt schicke Club People vorkommen und eine Szene, in der Geld das Klo runtergespült wird. Ein Mädchen sollte 10 rosa Pillen nehmen, nur weil sie rosa sind! So ein Schwachsinn, das ist doch Selbstmord und hat mit Peaches überhaupt nichts zu tun. Mit dem Hairgrowing Part war ich aber sehr zufrieden, denn so was in einem riesigen, kommerziellen Medium zu sehen, ist schon fantastisch. Ich habe das Video auch nachbearbeitet -ich hatte nämlich einen Rechtstreit mit der Videoproduktionsfirma DoRo, die, ohne mich zu fragen, ein Bild von meinem behaarten Schritt für eine ihrer Anzeigen verwendet haben. Unter dem Foto stand " Could we do any more?" im Sinne von - könnten wir noch weiter gehen? Diese Attitude war total von mir geklaut. Wir haben das dann so beigelegt, dass ich gratis Nachbearbeitungszeit für das Video bekommen habe und so eine Version erstellen konnte, mit der ich zufrieden war und in der auch nicht dieser "fake lesbianism" vorkam. Ich habe nämlich gesagt, okay, wenn da zwei sich küssende Mädchen vorkommen, will ich aber auch zwei knutschende Jungs haben (das war noch vor dem Aguilera-Video zu "Beautiful"). Da haben sie einfach ganz strikt nein gesagt. Da ist ziemlich viel Bullshit passiert, z.B. haben sie mir gesagt, bring doch deine FreundInnen zum Set mit, und dann hieß es plötzlich, oh, die sehen leider nicht gut genug aus, die können wir nicht verwenden.

Deine neue Platte lehnt sich ja mit einigen Tracks wieder ziemlich stark ins Rockige, wie z.B. der Opener "I don’t give a fuck", das mit seinem gebrüllten Abschmettern der öffentlichen Meinung ein tolles Role Model für junge Mädchen bietet, und das total aufgedrehte "Rock’n’Roll.

"I don’t give a fuck" ist sozusagen meine Version von Joan Jetts "Bad Reputation", das für mich vor 20 Jahren wirklich cool und wichtig war.

Ist dieses "I dont give a fuck" eine Reaktion auf etwas oder eher eine Warnung?

Das kann man sicher in verschiedene Richtungen interpretieren. Entstanden ist es aus einer Liveshow. Ich weiß nicht mehr, wie das geschrieben wurde, es hat sich wahrscheinlich eines Abends selbst geschrieben als Reaktion auf ein Publikum oder so, aber natürlich, das als erstes aufs Album zu tun, schickt schon die Message raus: was immer ihr davon haltet - ich mache einfach mein Ding.

Sollte "Fatherfucker" tatsächlich eher ein Rock-Album werden?

Ich dividiere HipHop, Rock und experimentellen Elektroniksounds eigentlich nicht so gerne auseinander, für mich geht das alles zusammen. Als ich angefangen habe in Berlin aufzulegen, waren die Leute total baff, als sie gemerkt haben, dass ich auch Rock auflege. Jetzt, wo Rock wieder so populär ist, meinen die Leute, dass ich ein Rockalbum gemacht habe; beim ersten, als Elektronik in war, hieß es, oh wow, wie elektronisch! Dabei sind meine beiden Alben wahrscheinlich gleich rockig. Ich bin ja ein Fan von Cock Rock, weil die Riffs so großartig sind, ich mag bloß die gewichsten Soli nicht. Ich war ja auch schon Vorband von QOTSA und da gab es auch ziemlich gemischte Reaktionen, z.B. Leute, die gerufen habe, runter von der Bühne, du Schwuler!

Eine Freundin von mir hat von einem Guano-Apes-Konzert erzählt, bei dem die Fans Sandra Nasic zugebrüllt haben "Ausziehen, ausziehen!" - eine komische Art, seinen "Respekt" zu zeigen...

Ja, und die Mädchen zeigen Bands wie Limp Bizkit aus Respekt ihre Titten. Schon strange, dieses Missverhältnis - warum zeigen die Jungs Sandra nicht auch ihre Schwänze? Das ist mir allerdings auch schon oft passiert, dass Mädchen mir ihre Brüste zeigen. Und auch die Jungs zeigen mir ihre Schwänze! Da habe ich also, zumindest bei mir, meine kleine Rock-Revolution. Wenn ich, wie in meinem einen neuen Song, den Jungs sage, los, schüttelt eure Schwänze, ist das nicht bösartig gemeint, sondern ich will ihnen nur eine Chance geben, auch endlich mal was zu zeigen. Die armen Jungs - sonst wollen ja immer nur alle die Mädchen (nackt) sehen.

Auf deine Musik stehen ja ganz unterschiedliche Peer Groups: z.B. lüsterne Heterojungs, toughe Dykes und popbegeisterte Feministinnen etc. Wie erklärst du dir das?

Ich bin da sehr glücklich drüber, weil ich genau das wollte: möglichst viele Leute erreichen. Nicht nur sophisticatede Elektronikfans, sondern eben auch die Leute, die normalerweise sofort abschalten, wenn irgendwo eine Überschrift steht wie "Peaches - intellectual electronic feminist artist", oder aber auch "Peaches - the new rock". Ich will das Publikum auf diese Weise öffnen, anstatt mich in eine Kategorie pressen zu lassen, die andere dann wieder ausschließt.

Aber glaubst du eigentlich ,dein sehr offensives, physisches und sexpositives Konzept würde auch funktionieren, wenn dich das Publikum nicht als sexuell begehrenswert ansehen würde, wenn du dick wärst oder als unattraktiv gelten würdest?

Ha, glaub mir, die Leute sehen mich nicht als sexuell. Die Hälfte der Leute schreibt, wie hässlich ich doch sei, und wie widerlich mein Haar ist - bei rollingstone.com schreiben die Leute Sachen wie: Ich mag Peaches’ Musik wirklich sehr gerne, aber warum kann sie nicht mehr wie Britney Spears aussehen? Es ist mir auch egal, wenn sie mich durchschnittlich oder hässlich finden, ich finde das sogar irgendwie cool, denn mein Ziel ist es ja nicht, Pamela Anderson sein. Letztes Jahr war ich auf dem Cover des britischen Magazins "Sleazenation". In der Woche nach seiner Veröffentlichung war ich in London, und mindestens fünf Leute kamen auf mich zu und meinten, oh, du siehst ja in Wirklichkeit ganz niedlich aus!

Wo wir gerade bei Schönheitsidealen sind: woher kommt denn deine Faszination mit der weiblichen Körperbehaarung und dem damit einhergehenden Tabubruch?

Ach weißt du, ich bin einfach nur faul. Deshalb rasiere ich mir nicht die Achseln, nicht als politisches Statement - who cares anyway? Aber ich kriege so viel Feedback darauf, auch auf die Haare in meinem Schritt, dass ich mir dachte, okay, das muss ich hochspielen. Beim Video zu "Set It Off" habe ich ganz bewusst ein Tabu gebrochen, klar, aber ich fand auch, dass die Idee so wahnsinnig lustig war, ich hätte mich wegschmeißen können! Zuerst sehe ich aus wie so ein affektiertes Cabaret Girl und am Ende bin ich dann auf einmal Twisted Sister. Es ist doch auch absurd: Wenn die Wimpern oder die Kopfhaare einer Frau lang sind, gilt das als sehr schön, bei den Achselhaaren hingegen nicht, dabei sind beides einfach Körperhaare. Michael Jackson hat sich ja in Thriller in einen Werwolf verwandelt, und das war dann eben meine Variante des Werwolfs! Das Video hat aber wirklich vielen Kindern Angst gemacht...

... nicht nur, ich kenne auch einen erwachsenen Mann, der sich sehr davor gefürchtet hat!

Irgendwie finde ich es aber auch cool: Marilyn Mansons hat diese ganzen alptraumhaften chirurgischen Apparate, mit denen er den Leuten Angst macht, und bei mir reicht schon so was Banales und Natürliches wie Haare. In Amerika haben sie das Video nicht gezeigt, wegen der Schamhaare. In Kanada war es genauso, doch da hat ein Mädchen protestiert und gesagt, ihr seid doch Idioten, Christina Aguileras Schritt wird in "Dirty" als Close-up gezeigt, und nur weil Peaches an dieser Stelle Haare hat, wird das zensiert. Am Ende haben sie es dann doch gezeigt.

Ist es nicht manchmal anstrengend, dauernd sexuell zu sein oder zumindest so wahrgenommen zu werden?

Ich empfinde das gar nicht so. Ich liebe direkte, explizite Texte, die kicken, und meine Musik soll den Leuten richtig auf den Kopf hauen. Im HipHop stechen immer ein paar coole Lines raus, und ich versuche, mir sozusagen die besten, prägnantesten Stellen rauszupicken. Vielleicht nehmen die Leute meine Lyrics auch deswegen als so stark sexualisiert wahr, weil ich nur sehr wenig Text verwende, der dann umso intensiver wirkt. Aber im Grunde geht es doch in jedem Song um Sex: wenn 50 Cent über Sex singt, finden es alle ganz normal, aber bei mir ist es immer "total krass".

Du bist ja dafür bekannt, dass du sehr offensiv mit Körperlichkeit umgehst und auf Schönheitsnormen scheißt. Wie kam es denn zu den "Crotch Shots" auf deiner Website?

Das hat damit angefangen, dass die Leute auf Konzerten immer Fotos von meinem Schritt gemacht haben, wegen des letzten Albumcovers. Ich wollte dann auch nicht moralisch vor dieser Objektifizierung zurückschrecken, sondern das wieder mal einfach umdrehen. Als ich die Live-Bilder für das Video zu "Rock’n’Roll" bearbeitet habe, wurde mir ganz deutlich bewusst, dass das keine sexy Show im Sinne von Madonnas "Blonde Ambition Tour" ist, sondern einfach crazy Energie, die sich da Bahn bricht. Auf meinem neuen Album thematisieren die Songs zwar Sex als Akt , aber auch die Sexes, also die Geschlechter, und Gender: female to male und zurück und wie beides Teil von uns allen ist und wie wir Gender strategisch benützen. Daher auch Songs wie "I U She", in dem ich Geschlechterverwirrung gemeinsam mit meiner Freundin Mignon verhandele, und natürlich der Albumtitel und das Cover.

Mir ist augefallen, dass du auf dem neuen Album nur mit Jungs kollaborierst...

Ha, du bist die erste, der das auffällt bzw. die das kommentiert, das ist lustig. Ich bin ja nicht gegen Typen oder so ein Quatsch, auch wenn das viele denken und mir immer wieder vorwerfen. Das Traurige ist aber, dass ich auch mit meiner Freundin Mignon gearbeitet habe auf dem Album, und das komischerweise vergessen wurde in den Credits der Promo...

Hast du für dieses Album wieder mit deiner alten Groovebox Roland MC 505 gearbeitet?

Ja. Das letzte Mal habe ich aber das ganze Mixing in der Groovebox gemacht, wohingegen ich jetzt alles getrennt gemacht habe. Ich habe mit meinem guten Freund Cornelius Rapp in seinem Home-Studio in Berlin gearbeitet. Wir haben jeden Sound einzeln auf seine Festplatte aufgenommen, weswegen alle fetter klingt, aber auch roher, weil den einzelnen Sounds mehr Raum gelassen wurde.

Wie kam es zu deiner Zusammenarbeit mit Iggy Pop, der beim Stück Nr. 4 mit dir singt?

Ich habe Iggy in LA auf einem Konzert, bei dem er als Special Guest auftrat, kennen gelernt und zu meiner Show einige Tage später in Miami - wo er wohnt - eingeladen. Er kam dann tatsächlich und nach der Show meinte er, meine Platte, die er schon in L.A. gekauft hatte, sei so gut und meine Liveshow einfach großartig. Und ob er meine Telefonnummer haben könne! Woraufhin ich meinte, klar, kann ich auch deine haben? Ein paar Monate später rief er mich an und sagte: "I bumrushed your album" - er hatte über "Rock Show" gesungen, und fragte, ob er den Titel auf seine neue Platte nehmen dürfe. Ich sagte, "Gerne, aber du musst auch auf meiner Platte mitmachen!" Ich habe also einen Song geschrieben und bin zu ihm nach Miami gefahren. Dort saß ich in der Studiokabine und konnte ihn rumdirigieren und Sachen sagen wie "Ooh, Iggy, das müssen wir aber noch mal probieren, ein bisschen lauter, bitte!" Er war total offen und down to earth, das war toll.

Bleibst du eigentlich in Berlin oder gehst du nach New York?

Ich ziehe weder nach New York, noch nach London, noch nach Paris, das ist mir alles viel zu überbevölkert und hektisch. In Berlin kann man Party machen, wenn man möchte, man kann es aber auch ruhig haben, das gefällt mir.

Dann war das wohl nur ein Gerücht...

Hast du vielleicht auch das Gerücht gehört, dass all meine Beats von Gonzales und DJ Hell gemacht wurden? Das wurde auch schon alles behauptet...

Langversion des Artikels aus intro sep 03
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