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Sophie Rimheden
 
Futter für unsere feingetuneten Clicks&Cuts-Techno-Sensibilitäten und unsere Gier nach Synthpop-Sounds: Sophie Rimhedens Glitch-Pop.
(2003.10.29, 14:08)

Du bist nicht allein

Als ob wir da nicht alle drauf gewartet hätten: Glitch-Pop. Die Schwedin Sophie Rimheden bricht mit ihrem Debüt-Album "Hi-Fi" auf Mikael Stavöstrands Label Mitek für uns ein brandneues Genre vom Zaun, das unsere feingetuneten Clicks&Cuts-Techno-Sensibilitäten genauso befriedigt, wie es unsere nostalgisch-grobschlächtige Gier nach verschollenen Synthpop-Sounds aus Partykellertagen bedient. Weil Sophie immer nach dieser Musik gesucht hat, ohne sie zu finden, hat sie sie, schwupps, selbst kreiert.

"Als ich im Dezember 2001 angefangen habe, "Hi-Fi" aufzunehmen, wollte ich, dass das Album eine Glitch-Platte voller stranger Sounds wird, die aber trotzdem ganz eingängige, luftige Melodien hat. Das war genau das, wonach ich immer suchte, wenn ich selbst Platten gekauft habe, aber niemand hat diese Musik gemacht. Ich fand, dass die Clicks&Cuts-Szene eine Erneuerung ganz gut gebrauchen konnte", berichtet die Mittzwanzigerin, die 1999 aus der südschwedischen Provinz nach Stockholm gekommen ist, um dort Film zu studieren. So tummeln sich auf "Hi-Fi" die beliebten knispelnden Störgeräusche, minimalistische Drumpatterns, opulent zerhäckselte Autotune-Vocals mit den markanten Vocoder-Effekten und das ein oder andere Sample aus beliebten 80er-Jahre-Gassenhauern (nein, da ist kein "Vamos a la playa", wie mich die Künstlerin korrigiert, auch wenn es so klingt - "You have to find out for yourself, hehe").

Dass das Endergebnis, das aus diesem wild gecutteten Pastiche ans Ohr wächst, nicht hochgradig zerfahren wirkt, sondern einen nicht unbeträchtlichen Popsog entwickelt, liegt sicherlich an dem sehr 80er-Jahre-orientierten Popappeal, der Sophie so wichtig ist. "Ich bekam jede Weihnachten mindestens eine Vinylscheibe und habe in den 80er überhaupt sehr viel Musik gehört und Platten gekauft. Viele dieser Platten habe ich in letzter Zeit wieder rausgeholt und mich davon inspirieren lassen." Überhaupt, damals im beschaulichen Städtchen Hässleholm, als sich alles schon einfädelte: Als Kind einer musikbegeisterten Familie lümmelte Sophie neben den gitarrespielenden Eltern und später neben ihrem Computer-daddelnden Bruder, dem sie über die Schulter guckte, bald ihre Vorschläge einbrachte und dann auch schon gemeinsam mit ihm Tracks bastelte. Mit 13 musste dann der erste eigene Atari her, der nach einigen Jahren durch Synthies ergänzt wurde.

Bevor Sophie unter ihrem eigenen Namen veröffentlichte, war sie schon mit zwei anderen, immer noch bestehenden Projekten aktiv, die mit der Einbindung von akustischen Instrumenten noch stärker dem klassischen Songcharakter verpflichtet waren: Hayce ist ihr TripHop-Dub-Outlet, und Ban Ham, dessen Name aus Sophies Veganismus und ihrer Liebe zu diesen putzigen Geschöpfen called Tiere enstanden ist, featuret digital bearbeitete, langsame und traurige Songs aus "echten" Instrumenten. Als ob diese kräftezehrende Trinität nicht schon genug Aufregung wäre, lässt es sich die Musikerin nicht nehmen, ihre Stimme auch noch anderen rausragenden Protagonisten der feinen schwedischen Elektronik-Szene zu leihen: Håkan Lidbo, Vita, Johan Fotmeijer and Martin Jarl und Differnet heißen die Glücklichen.

Gesungen bzw. Melodien und Texte erdacht hat Madame Rimheden schon immer, auch damals in Großelterns Garten auf der Schaukel, und sie reflektiert daher Funktion und Wirkung ihrer Vocals sehr genau. "Als ich Hi-Fi aufgenommen habe, habe ich gemerkt, dass mit dem Gesang etwas noch nicht passt. Die Musik hat einen sehr digitalen Sound, und die Vocals schienen in einer ganz anderen Welt, quasi nebenher zu existieren - das ging nicht zusammen. Aber dann habe ich das Autotune Plug-in in Sound Forge ausprobiert, und auf einmal hatte der Gesang den selben digitalen Klang. Ich benutze Autotune also nicht, um meine Stimme zu korrigieren oder sie irgendwie smoother zu machen, sondern nur, um sie an die Klangästhetik der Tracks anzupassen." Auf meine Frage, ob es von ihr beabsichtigt war, mit dem streckenweise massiven und für manche KonsumentInnen in seiner Intensität fast nervenzehrenden Vocoder-Effekt-Einsatz eine future Madonna auf Glitch zu evozieren, entgegnet sie, dass es zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Platte, im August 2002, nichts Vergleichbares gegeben habe. Da müssen Cher, Daft Punk und die anderen vermutlich ein wenig schmunzeln, aber das ist uns, auf dieser ganz anderen Baustelle, ja egal.

Und statt Madonna gibt es für Sophie Rimheden einen ganz anderen Knoten im Referenzuniversum: die Island-Connection. "Björk ist eine Künstlerin, die mich sehr inspiriert." Hallo female Netzwerk, da sind wir schon wieder bei meinem Lieblingsthema, das Sophie auch immer wieder beherzt von sich aus anspricht: "Ich finde es wirklich schade, dass nicht mehr Mädchen Musik am Computer machen, und ich hoffe, dass ich mit meinem Album zumindest ein paar von ihnen dazu motivieren kann. Als ich noch in meiner kleinen ElektronikerInnen-Clique in Hässleholm rumgehangen bin, gab es zwar auch einen ziemlichen Wettbewerb unter uns allen, aber ich habe mich immer bemüht, andere Mädchen aus der Gang zu unterstützen. Für mich ist es eigentlich ziemlich logisch, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind, denn mit diesem Grundsatz bin ich aufgewachsen. Und ich mag es, wenn die Typen femininer werden... Ich möchte in der Wahrnehmung der Leute daher auch nicht auf mein Geschlecht, auf die Rolle der weiblichen Musikerin beschränkt werden. Die Leute sollen meine Musik mögen. Ich glaube übrigens auch, dass es gar nicht so wenige Mädchen gibt, die elektronische Musik produzieren. Ich stelle mir immer vor, dass die zu Hause an ihrem Rechner sitzen und sich nicht trauen, in die Offensive zu gehen, weil sie nicht wissen, dass sie nicht alleine sind..." | intro aug 03

Das ganze Interview mit Sophie Rimheden gibt's hier.
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