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Why we love Kif
 
Ein kleines grünes Männchen ohne Knochen und die Subversion zeitgenössischer populärer Stereotypen und Geschlechterklischees in der TV-Serie "Futurama".
(2004.01.08, 12:25)

Kann man in einer Fernsehserie revolutionäre Gesellschaftsmodelle und Rollenbilder verhandeln? Wir kennen die Antwort aus unzähligen, Klischee-überladenen Soaps und Sitcoms zur Genüge: ääh, bitte lieber nicht. Denn auch wenn von ProduzentInnenseite durchaus der Wunsch vorhanden ist, gewinnbringend das Sahnehäubchen semi-avantgardistischer Lebensentwürfe abzuschöpfen und beispielsweise zunehmend homosexuelle Beziehungen (Will & Grace, Ellen), extended families (Friends, Seinfeld) und allein erziehende Eltern (Jesse) über den Bildschirm flimmern zu lassen, werden essentialistische Geschlechterzuschreibungen noch immer nicht aufgeweicht: Männer sind immer noch so, und Frauen sind eben so.

So gestaltet sich vor allem die Suche nach sympathischen männlichen Role Models in der TV- und Entertainment-Welt recht ermüdend. Neben den nach wie vor zahlreichen, gähnend langweiligen klassischen Rollenverkörperern gibt es nur wenig befriedigende Alternativen. Figuren wie Homer Simpson, der King of Queens und Futurama-Fry verkörpern das immer beliebtere Modell des "Loser-Lads", der durch Ambitionslosigkeit, Dummheit und stumpfe Interessen wie Fernsehen, Saufen und Sex das beruhigende Signal aussenden soll, dass Under-Achievement für Männer schon okay geht, während ihren zumeist intelligenteren, schöneren weiblichen Gegenparts wenig mehr als der Triumph der moralischen Überlegenheit gegönnt ist, der Frauen ja schon traditionell gerne als Trostpreis für Ungleichberechtigung zugesteckt wurde.

Daneben geistert der neue Typus des "Metrosexual" durch die Entertainment-Klatschspalten, als dessen Prototyp der Fußballer David Beckham auserkoren wurde. Die letztendlich nicht besonders ambige männliche Sexualität des metropolitanen neuen Mannes erschöpft sich zumeist in stylishen Äußerlichkeiten wie Designerklamotten, lackierten Fingernägeln, Haarzöpfchen und dem Willen, eine aktive Rolle als gleichberechtigter Partner und Familienvater im Haushalt zu übernehmen - was zwar lobenswert ist, im 21. Jahrhundert aber mittlerweile doch völlig selbstverständlich sein sollte, statt dauernd enthusiastisch beklatscht zu werden.

Während die meisten TV-Sendungen also keine bahnbrechenden Neuerungen im Umgang mit Stereotypen und Geschlechterbeziehungen wagen, weil konservative Werbekunden meist der kleinste gemeinsame Nenner sind, gibt es doch einen Kniff, wie man innovativere Sendekonzepte an den heteronormativen Kontrollinstanzen vorbei schmuggeln kann: indem man die Handlung einfach in die Zukunft verlegt und damit bestehende Normen - bis zu einem gewissen Grad - aushebeln kann.

So geschehen bei der mittlerweile eingestellten Zeichentrickserie Futurama, die im Jahr 3000+ spielt und von Matt Groening, dem Schöpfer der Simpsons, erdacht wurde. Die futuristischen Elemente der Serie halten sich zwar bis auf kleinere Spielereien stark in Grenzen, doch es wurden einige subtile utopische wie dystopische Momente eingebaut, die die Serie wie einen Kommentar auf die heutige Gesellschaft wirken lassen. Während der Großteil der Geschlechterbeziehungen nach eher traditionellen Mustern abläuft - so wünscht sich z.B. die energische Kapitänin Leela einen abenteuerlustigen, selbstbewussten Mann, der auch "etwas darstellt", Roboter Bender hält meistens nach kurvigen Schönheiten Ausschau - ist es vor allem das beherzte Durcheinanderwirbeln von Stereotypen jeder Art, das die Serie so erfrischend macht, da es letztendlich jegliche existierende Zuschreibung außer Kraft setzt. So ist z.B. der dickliche Buchhalter Hermes Conrad, den man aufgrund seiner jamaikanischen Herkunft nach (rassistischen) Klischees eher als swingenden Müßiggänger typisieren würde, ein erbsenzählender, stempelbegeisterter Bürokrat, der nebenher aber auch den Limbodance liebt. Die als asiatisch charakterisierte Familie der Wongs arbeitet mitnichten bienchenfleißig in den Sweatshops von San Francisco, sondern besitzt, ganz Texas-Hill-Billy-like, eine dicke Ranch auf dem Mars.

Doch die für den Genderdiskurs interessanteste Konstellation in Futurama bilden Amy Wong, die hübsche, verwöhnte und nicht besonders kluge Tochter der Wongs, und ihr Lover Kif Kroker, ein kleiner, zarter, sensibler Außerirdischer mit grüner Hautfarbe, riesigem Kopf und einer fluiden Körperstruktur, dessen Geschlecht auf seiner offiziellen Merkmalskarte als "male-ish", also "eher, aber nicht unbedingt männlich" beschrieben wird. Die stets auf ihre weiblichen Reize bedachte Amy, die die ihr um Ecken zugedachte Rolle der prototypischen "dumb blonde" mit Witz und doppeltem Boden ausfüllt, entspricht in keinster Weise dem Klischee von der überangepassten, studiösen Asiatin, das in den USA kursiert. In der sehr romantischen Liebesgeschichte der beiden, die in der Fake-Titanic-Episode "A Flight To Remember" beginnt, in der Kif Amy das Leben rettet, werden bestehende Geschlechterzuschreibungen und -verhaltenskodices so lange verdreht und in die Mangel genommen, bis nur noch ein amüsantes, komplett fragmentiertes Potpourri übrig bleibt.

Würde man von den gängigen, gesellschaftlich diktierten stereotypen Rollenklischees ausgehen, so gälte eine Figur wie Kif für eine Frau wie Amy als unattraktiv. Eher würde man erwarten, dass Amy, die ihr Selbstbewusstsein nicht aus Intelligenz, sondern aus ihrem guten Aussehen bezieht und aus reichem Elternhaus stammt, als potenziellen Partner Zapp Brannigan, Kifs unfähigen, notorisch womanizenden und von sich selbst überzeugten Vorgesetzten, ins Auge fasst. Dessen übertrieben zur Schau getragene Männlichkeit ist total überzeichnet und wirkt im Kontrast zu Kifs sanften Seufzern und seinem resignierten Schulterzuckern so grotesk wie erdrückend. Doch Amy erfüllt nicht jenes langlebige Klischee, dass Frauen sich für Männer begeistern, die "etwas darstellen" und ein stereotypes Bild von Maskulinität erfüllen, sondern sie verliebt sich in den schüchternen, asexuell wirkenden Kif. Dennoch wird dadurch nicht jene klassische Männerfantasie bedient, die sogar den unscheinbarsten männlichen Protagonisten ohne rationale oder emotionale Logik die schönsten Frauen zuführt, sondern die von ihren KollegInnen oft belächelte Amy wächst in dieser Beziehung als die "Stärkere" über sich hinaus und beschützt Kif immer wieder, ohne dabei aber dessen bedingungslose Liebe zu missachten.

Es ist hier zwar ein heterosexuelles "Role Reversal" im Gange, da Amy oft den traditionell männlichen Part übernimmt und Kif den traditionell (gefühlvolleren) weiblichen, dennoch werden nicht einfach nur die Rollen getauscht, sondern sie werden stückweise aufgelöst. Besonders in den Folgen "Amazonian Women In The Mood" und "Kif Gets Knocked Up A Notch" wird ironisch mit der Verdrehung von traditionell männlichen bzw. weiblichen Verhaltensweisen gespielt.

In "AWITM" rettet Amy ihren Kif vor den wilden, riesenhaften Amazonen, die Fry, Zapp und Kif zu "Death by Snu Snu" verurteilt haben, also Tod durch exzessiven Geschlechtsverkehr. Während Fry und Zapp zwischen Lust und Todesangst schwanken, kann Kif der "sinnlichen" Todesart gar nichts abgewinnen und versteckt sich mithilfe seiner Saugnäpfe an der Decke, wird aber von den Amazonen als besonders attraktiv begehrt. Amy läuft zu voller Größe auf, fängt Kif und rennt mit ihm in ihren Armen davon.

In "KGKUAN" wird Kif durch eine intensive Berührung während einer Phase großer Emotionalität schwanger und ist voller Vorfreude auf das Kind. Amy hingegen "fühlt sich noch nicht bereit" für Nachwuchs - ein typisch männlicher Topos - und ist erleichtert, als sich herausstellt, dass Leela die genetische Mutter ist, da sie es war, die ihn aus Versehen am Arm berührte. Dies entbindet Amy jedoch nicht ihrer Mutterpflichten, denn sie gilt in Kifs Kultur, ganz im Sinne des Brechtschen kaukasischen Kreidekreises, als "wahre Mutter", da Kif aus Liebe zu ihr emotional aufgewühlt und nur daher bereit für eine Empfängnis war. In einer herzzerreißenden Szene durchläuft Kif die Geburtszeremonie alleine, bis Amy im letzten Moment auf einem Bügelbrett herbeisurft und der Geburt beiwohnt.

Diese zwei Beispiele zeigen in hervorragender Weise, wie Geschlechterrollen anhand des Liebespaars Kif/Amy nicht nur umgedreht werden und damit immer noch in binärer Opposition zueinander stehen, sondern wie sie so stark in einzelne Klischeebestandteile fragmentiert und dann munter durchmischt werden, dass man hinterher als RezipientIn nicht mehr recht in der Lage ist festzustellen, was aus welchem Stereotypenfundus stammt und damit ein ganz neues, fast originäres Beziehungsbild erhält.
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