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Girls Against Boys
 
Was war da los im deutschen Feuilleton 2003 - Geschlechterkampf revisited? Auslaufmodell Mann? Die bevorzugte Frau? Ein Streifzug.
(2004.01.23, 00:41)

Männer dämmern, Frauen moderieren?

Es gibt ihn also doch noch, den guten alten Geschlechterkampf. Auch im Jahr 2003. Während im letzten Sommer sengende Hitze die Köpfe schweißüberströmter LohnarbeiterInnen in einen gnädigen Dämmerschlaf sinken ließ, ging es bei diesen Temperaturen im Feuilleton erst richtig los. Hochgradig erhitzte Gemüter kloppten sich endlich wieder mal um das, was in den meisten Fällen nur noch für wenig qualifiziertes Stammtisch-Gegreine gut ist: dieses Dingsda mit den Männern, den Frauen und der Gleichberechtigung.

Frauen moderieren, Männer machen

Den viel beachteten Startschuss für die lustige Debatte, ob das mit der Emanzipation nicht doch mittlerweile ein bisschen zu weit gegangen sei und die Männer infolgedessen an den Rand der Bedeutungslosigkeit gedrängt würden, gab der FAZ- Herausgeber Frank Schirrmacher. In seinem Artikel "Männerdämmerung. Wer uns denkt: Frauen übernehmen die Bewusstseinsindustrie" vom 1.7.2003 vertrat er anhand erfolgreicher TV- Talkerinnen wie Christiansen, Maischberger und Illner die These, dass das politische Geschehen in Deutschland "vorwiegend von Männern kommentiert, aber von Frauen kommuniziert" wird. "Insgesamt sind damit fast achtzig Prozent der Bewusstseinsindustrie in weiblicher Hand. Eine Telefonistin, ein Kindermädchen, eine Schauspielerin und Schriftstellerin und eine Stewardess definieren das Land. Was einer heute denkt, läuft vorher über die Fließbänder dieser Frauen." Genau, und währenddessen verdämmern die "nicht mehr nachgefragten Patriarchen" einsam in den tatsächlichen Machtpositionen in Politik, Wirtschaft und Forschung, während die Frauen ein bisschen "einfühlsam" nachfragen dürfen.

Frauen und Literatur

Knapp zwei Wochen später legte der Schriftsteller Hans-Christoph Buch in der Welt mit dem Artikel "Big Sister. Die Literatur ist weiblicher geworden. Hat ihr das genützt oder geschadet?" noch ein ordentliches Scherflein nach, in dem er eine "Verdrängung des auf Härte und Aggressivität beruhenden männlichen Über-Ichs durch weibliche Werte wie Konsens und Kompromiss" im Kulturbetrieb diagnostiziert. Ganz einfach also: Je mehr Frauen schreiben, desto flacher werde das Niveau der Literatur. Zu blöd nur, dass es mittlerweile hauptsächlich Frauen sind, die das Lesepublikum stellen und sich überhaupt noch für so etwas Anachronistisches wie Hochkkultur interessieren. Das deutschsprachige Feuilleton bzw. sein weiblicher Teil schlug amüsiert bis faktenbezogen zurück, auch Schirrmacher mochte mit Buch nicht gemeinsame Sache machen, aber der größte Schock stand den Männern noch bevor.

Auslaufmodell Mann?

Der britische Humangenetiker Steve Jones, der sich gerne als erfolgreiches Weichei inszeniert, tingelte durch die (Titel-)Seiten von FAZ bis Spiegel mit seiner These, dass der Mann durch sein wackeliges X-Chromosom ein genetischer "Freak" und damit ein Auslaufmodell der Natur sei. Männer seien bald sogar für die fünf Minuten, für die sie bisher zur Erzeugung von Nachwuchs gebraucht wurden, entbehrlich - ein "Irrtum der Natur". Da half auch nichts, dass einige Monate vorher das Werk "Das bevorzugte Geschlecht" von Martin van Creveld erschienen war, in dem der Autor beklagt, dass Frauen zu alten, durch männliche Galanterie garantierte Privilegien (à la: "zuerst Frauen und Kinder!") ständig neue hinzu gewännen und damit immer weniger für die Männer übrig bleibe.

Männerdomäne Fußball?

Und was passierte dann? Ja, dann gewannen die deutschen Fußballfrauen auch noch die WM, während ihre hoch bezahlten männlichen Kollegen froh sein dürfen, dass sie überhaupt bei der EM in Portugal dabei sind. Irgendwann im Sommerloch tauchte überall der Begriff des trendigen metrosexuellen Mannes auf, der sich gerne die Haare stylt, mani- und pedikürt und Designerklamotten trägt, aber trotzdem auf Frauen steht (hossa!). Germaine Greer schrieb ein Buch über den Knaben als Lustobjekt in der Kunst, in Film und TV gaben sich die neuen Role Models des vertrottelten, ambitionslosen Mannes Stelldicheins (Stichwort: King of Queens) und jetzt übernimmt Anke Engelke auch noch die sakrosankte Harald-Schmidt-Show. Was ist da los?

Alte Gewohnheiten, neue Rollen

Nicht so viel eigentlich, denn old habits die hard. Der Bachelor ist halt doch noch begehrter als eine Bachelorette, und im Erniedrigtwerden haben die Frauen einfach viel mehr Erfahrung als die Männer. Wenn ich den Fernseher aufdrehe, sehe ich jede Menge spärlich bekleidete Frauenhintern, die mir aus Musikvideos zuwedeln, und jede Menge Krawattenmänner, die wichtige Entscheidungen fällen. Doch es ist eine deutliche Verunsicherung bezüglich alter Rollenbilder zu spüren, die derzeit noch ziemlich unkontrolliert durch die Gegend taumelt: nach vorne, nach hinten und zur Seite, als Rückschlag und Vorstoß. Aber Verunsicherung, so unproduktiv sie sich manchmal äußern mag, ist letztlich gut, denn sie zwingt zum Überdenken eingefahrener Positionen und zeigt, dass etwas im Umbruch ist. In diesem Sinne: Happy 2004. | fm4.orf.at dez 03
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