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Elisabeth Subrin
 
Blade Runner. Poltergeist. Vietnam. Cassavetes. Ms. Magazine. Und mittendrin in dieser swirling mass of 70/80s pop culture das kleine Mädchen, das das Ganze einfach nicht schluckt.
(2002.09.10, 21:58)

Gar nichts schluckt, weil es magersüchtig ist und durch diese Dysfunktion stumm seiner nur scheinbar liberalisierten Umgebung seinen (Wider)Willen mitteilt. So gesehen in "Swallow", einem Video der New Yorker Experimental-Filmerin Elisabeth Subrin, die mich mit den Credits zu ihren sowieso nicht gerade gemächlichen Psychogrammen vollends aus dem Plüschsessel kippen lässt, rollen da doch die Größen der Riot Grrrl&Co-Bewegung ganz selbstverständlich den Abspann runter: Kathleen Hanna, Sadie Benning, Tammy Rae Carland...

Ja, meint Elisabeth später im Interview lachend, Tammy Rae vom Mr. Lady-Label ist einer meiner besten Freundinnen, sie hütet gerade mein Haus in Brooklyn. Obwohl es, abgesehen von weitverzweigten Freundschaftsnetzen und einer US-weiten Connection von Frauen, die aggressiv einen radikalen Feminismus promoten, kein Kollektiv gibt, das diese Künstlerinnen unter einem Label zusammenheftet, ist es die Wut über die Exklusion wichtiger Kapitel feministischer Geschichte im popkulturellen Gedächtnis, die die Arbeit all dieser Frauen strukturiert. Während Kathleen Hanna, die auch einen Song für ?Swallow" beigesteuert hat, mit Bikini Kill und Le Tigre immer stark an der Performativität und Zugänglichkeit ihrer Musik gearbeitet hat, wirken Subrins streng formalisierte und vielschichtig verdichteten Video- und Filmarbeiten dagegen zunächst hermetisch und akademisch, but young girls usually get them better than 50-year old feminist art critics, versichert Elisabeth schmunzelnd.

Pulling our heads out of the toilets

In "Swallow" (1995), dem ersten Film in Subrins Trilogie über 60er und 70er Jahre-Biografien von Frauen außerhalb der psychosozialen Norm, geht die Filmemacherin anhand der ineinander verstrickten und sich bis zur Unkenntlichkeit überlagernden Lebenssituationen eines bösen magersüchtigen und eines braven, jedoch offensichtlich depressiven Mädchens der Frage nach, warum die Generation der in den angeblich progressivsten Dekaden des letzten Jahrhunderts aufgewachsenen Frauen ihren Willen nur durch Verweigerung und Entzug manifestieren kann: Why, as we?re getting more privileged, are we all putting our heads in the toilets?

Keine der Arbeiten Subrins gibt konkrete Antworten auf dieses zermürbende Paradox, das immer auch die ungenügende Aufarbeitung der Lehrstücke der 2nd Wave Feminists problematisiert, aber in all ihren Filmen entwirft die Regisseurin verstörende Szenarien, die die Verantwortung der Gesellschaft für female disorder plausibel machen. In "The Fancy" (2000) erzählt sie das Leben der Fotografin Francesca Woodman nach, die sich 1981 22-jährig durch einen Fenstersturz ums Leben gebracht hat und danach mit ihren überästhetisierten Bildern, in denen sie sich oft selbst wehtut oder verschwinden lässt, in der internationalen Kunstriege Furore gemacht hat. Ohne den - in ihren Werken häufig nackten - Körper der außerordentlich schönen Fotografin je zu zeigen, stellt Elisabeth Subrin ausschließlich anhand der für Woodman so typischen morbid-verfallenden Requisiten die deprimierenden Rahmenbedingungen der Originalfotos bloß und weist damit auf die perversion of us being in love with a beautiful, skinny white woman hurting herself hin.

"Shulie" (1997), Subrins einziger 16mm-Film to date, nähert sich dem Phänomen der gegängelten Frau von einer ganz anderen Seite. Sie drehte den 1967 in Chicago enstandenen Dokumentarfilm über die Kunststudentin Shulamith Firestone, die drei Jahre später mit ihrem radikal-feministischen Buch "The Dialectic of Sex: The Case for Feminist Revolution" berühmt werden sollte, ganz exakt frame für frame nach, um die Evolution der collective feminist consciousness der letzten Jahre durchzuchecken. Eigentlich wollte ich nur Teile des Originalfilmes verwenden, habe aber mir der Zeit festgestellt, dass er perfekt war. Alles, was Shulie über ihre Situation als Frau an einer Kunstuni in einer patriarchalischen Gesellschaft sagt, könnte leider genau so auch heute noch gesagt werden. Kleine Clues über die tatsächliche Produktionszeit fließen in den perfektionistischen Nachdreh ein - ein Starbucks-Becher, ein Schild über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz -, aber das Urteil darüber, was diese Distanz der Kopie interessant und relevant macht, bleibt ganz postmodern dem Publikum überlassen.

Diese fast obsessive Beschäftigung mit der recent history of female subjectivity rührt sicher auch daher, dass Elisabeth, genau wie ihre Freundinnen bei Le Tigre und Mr. Lady, die so dringend gebrauchte Brücke zwischen dem 2nd Wave Feminism der 70er und den gerne Postfeministinnen gescholtenen Third Wavers gezimmert sehen möchte. Aber making feminist education appealing to a very MTV-saturated generation ist sicherlich kein weiches Brot, zumal eine Experimentalfilmerin automatisch ein völlig anderes, älteres (und kleineres) Publikum als eine Band wie Le Tigre hat.

Obwohl Elisabeth die Arbeit von Kathleen und Jo sehr schätzt und sich bei jedem Treffen mit ihnen in feministische Diskurshöhen und -tiefen stürzt, war Riot Grrrl nie wirklich ihre Tasse Tee: Ich war damals zwar begeistert von der Möglichkeit, Kunst und Aktionismus endlich zu kombinieren, doch mein Problem mit Riot Grrrl und eigentlich der gesamten Indie-Rock-Szene war und ist, dass es eine essenziell weiße Mittelklasse-Bewegung war, die die Triade von race class and gender eben nicht ausgehebelt hat. Und auch wenn sie davon ausgeht, dass feministische Künstlerinnen der verschiedensten Sparten sich gegenseitig positiv beeinflussen und sie sich voll mit Le Tigres Arbeit identifiziert, wehrt sie einen Vergleich ihrer art politics ab. Meine Filme und Le Tigres Musik - das wäre ungefähr so, als würde man Äpfel und Orangen vergleichen. Aber vielleicht gibt es ja in Elisabeths gerade heftig angeplantem Spielfilm ?1989" über ein 34-jährige Frau, die im Jahr 2000 in einer Dotcom beim Lügen über ihr Alter erwischt wird und danach eine manisch-depressive Phase durchmacht, einen Song von Le Tigre zu hören. Apples and Oranges - oder so. | intro okt 01
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