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Die Titte in der Clubkultur
 
Es braucht nur einen kurzen Streifzug durch trendiges Flyerland, um festzustellen, dass für viele Menschen aus der Clubhochkultur Sexismus und eine proklamiert korrekte Attitude kein Widerspruch zu sein scheinen.
(2002.09.12, 20:23)

Dass uns von Flyern für Clubs, in die wir nie gehen würden, halb- oder ganz nackte Frauen in aufreizenden oder schlicht dämlichen Posen entgegenlächeln, sind wir ja - leider - schon gewöhnt. Mit der gleichen Logik wie bei breitenwirksamer Werbung wird hier aus nackter Frauenhaut Kapital geschlagen, denn Sex verkauft sich eben, und mit einem über den Profit hinausgehenden lästigen Bewußtsein für Korrektheit quält man sich in diesen Sphären generell auch nicht lange. So ist es zwar genau wie das Hinnehmenmüssen von sexistischer Werbung nervig, marktschreierische Flyer von Veranstaltungen mit sprechenden Namen wie "Models & More", "Penthouse" (mit Playgirls zum Anfassen) und "'Fast Nackt Gschnas" ertragen zu müssen, aber wo der Mammon regiert, wundert eine nichts mehr.

Was dafür umso mehr verwundert, ist der Umgang von politisch reflektierten und durchaus um Korrektheit bemühten Clubs und Organisationen mit werbewirksamem Sexismus. In Zusammenhängen, in denen es niemand wagen würde, offen rassistische, faschistische oder antisemitische Haltungen einzunehmen, hat man offensichtlich kein Problem damit, sexistische Darstellungen von Frauen zu verwenden: da springen knackige Nackt-Damen aus idiotischen Bananen, zwei Hände werden von Plüschhandschellen vor dem dazugehörigen mageren nackten Mädchenpo zusammengeschnürt, oder vollkommen unrealistisch proportionierte Cartoon-Männerträume lassen ihre artifiziellen Reize spielen.

Sogar die deklariert linke deutsche Tageszeitung TAZ hat bei einer ihrer spektakulären Abo-Aktionen damit gedroht, falls sich nicht genug Neu-AbonnentInnen finden würden, in Bildzeitungsmanier blanke "Titten" auf das Titelblatt zu setzen - Sprüche à la "Ausländer raus" wären im gleichen Kontext undenkbar gewesen. Beinahe schon absurd war eine doppelseitige Anti-Regierungsgrafik der Wiener Abuse Industries im Technomagazin Raveline, in der Pornoklone mit Megabrüsten Männern auf der Straße willig mit Oralsex bedienen und damit gegen die blau-schwarze Regierung protestieren - eine Regierung, die ständig mit Vorwürfen des Sexismus und der Frauenfeindlichkeit konfrontiert ist. Besonders perfide ist auch die gern praktizierte Verknüpfung "exotischer" women of color mit Stereotypen primitiver, überbordender Sexualität, die wieder mal vor Augen führt, dass Sexismus und Rassismus sich gegenseitig bedingen, in dieser Form aber allzu gerne als ironische Übertreibung toleriert werden.

Womit wir auch schon beim Punkt wären, denn wenn man sich über diese Ästhetik aufregt, da man wenigstens in den selbst frequentierten Clubs von solcherlei Trash verschont werden möchte, wird das omnipotente Ironie-Schutzschild ausgefahren: diese Bilder seien doch ein rein ironischer Umgang mit Klischees, die so übersteigert und entfremdet würden, dass sie der Lächerlichkeit preisgegeben würden. Überhaupt mache man sich mit dem Retro-Softporno-Style, dem viele dieser Sexism Fiends huldigen, doch nur über die pseudoaufgeklärte Sexualkultur der 70er Jahre lustig.

Ironisierung my ass, kann ich da nur sagen, denn ich sehe den Witz einfach nicht. Wo ist die Brechung des Klischees? Wer typische Pornosujets kopiert, die traditionellerweise auf die lustvolle Betrachtung von Männern zugeschnitten sind, behält die patriarchalen Geschlechterrollen bei - der Mann als Betrachter und lenkendes Subjekt, die Frau als willfähriges, passives Objekt. Auch wenn der bewusst kitschig-trashige Rahmen, in dem solche Inszenierungen stattfinden, bei Umarbeitungen möglicherweise ironisch umgedeutet wird, wird das Gefälle zwischen den Geschlechtern zementiert und damit die gesellschaftliche Hierarchie eindeutig affirmiert. Mit einer Übertreibung des Klischees, das optisch hochstilisiert und aufpoliert wird, erreicht man nicht einen Hauch von Subversion, weil in unveränderter Form genau die Sache abgebildet wird, die - vielleicht - ironisiert werden soll.

Wie gesagt - vielleicht. Denn könnte es nicht auch sein, dass das mit der Ironie und der Behauptung, dass diese Darstellungen doch eigentlich alle irrsinnig lustig seien (und wer's anders sieht, ist sexfeindlich) einfach eine bequeme Ausrede dafür ist, einen konsensfähigen Sexismus auch in die sogenannte Subkultur oder politically correcte Linke hineinzutragen? Im Gegensatz zur Rechten, wo Frauen sich, der inneren ideologischen Logik folgend, von selbst der herrschenden Ordnung unterwerfen müssen, haben linke Männer mehr um ihre Machtposition zu fürchten, von der sie sich eigentlich freiwillig verabschieden sollten - doch wer gibt schon gerne Privilegien ab? So fungiert ein kleines Bildchen, in dem eine Frau Fellatio andeutet oder sich lüstern an die Schamhaare packt, im trendy Club vielleicht als subtiler Verweis der Frauen auf ihre (untergeordneten) Plätze.

Doch nachdem Frauen jahrelang hauptsächlich als KonsumentInnen und Dienstleisterinnen im Nachtleben präsent waren, machen sie jetzt langsam ernst mit der "Bedrohung" männlicher Privilegien. Denn wo immer mehr weibliche DJs, Veranstalterinnen, Tontechnikerinnen, Grafikerinnen und Produzentinnen auftreten, werden auch die Bild-Repräsentationen von Frauen entscheidend mitbestimmt werden. Und dann hat es sich wohl ausgelacht mit der Sexismus-Ironie... | nylon apr 01
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