You Rock My World, Ladies
Diese Damen rocken wirklich meine Welt, und das nicht nur am 8. März, dem internationalen Frauentag. Weibliche Role Models in der Musik und meine Freude an ihnen.
(2002.09.19, 12:10)
Keep on rocking
Wie hat das jemand mal so schön auf den Punkt gebracht: "Male fans buy a guitar, female fans buy a poster" (Mavis Bayton in Sheila Whiteleys empfehlenswerter Aufsatzsammlung
Sexing The Groove). Trauriges Statement, alter Hut, aber leider für viele Zirkel immer noch ziemlich real. Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, wie ich in meiner Teenagerzeit in den tiefsten 80ern im elterlichen Hobbykeller mit einer Freundin emphatisch auf leeren Ölkanistern rumgetrommelt und dazu düstere Texte gebrüllt habe, aber auf die Idee, mir mal selbst eine Gitarre zu kaufen oder das auch im Keller rumstehende Schlagzeug meines Bruders ernsthaft zu malträtieren, wäre ich gar nie gekommen. In meiner näheren Umgebung gründeten alle coolen Typen Bands, deren (natürlich grottenschlechte) Konzerte ich begeistert besuchte, aber irgendwie waren das hauptsächlich die Jungs. Immerhin kaufte sich meine beste Freundin (die von den Trommelsessions) E-Gitarre und Bass, aber so richtig viele funky Musikerinnen als mögliche Identifikationsfiguren gab es in unserem Bekanntenkreis nicht, höchstens mal eine Sängerin.
Jetzt, im neuen Jahrtausend, hat sich das Bild schon ein wenig verändert (obwohl es natürlich auch schon damals Musikerinnen gab, die waren für mich bloß nicht präsent) und immer mehr Frauen greifen nach Instrumenten, Mikro, Plattenspielern und Knöpfchen. Trotzdem sind die männlichen Mitmenschen in der produzierenden Musikszene, auf Konzerten und Clubabenden und in Fachgazetten und -diskussionen immer noch in der Überzahl. Aber ganz langsam fängt das Geschlechterverhältnis im Pop an, sich auszugleichen, was nicht zuletzt daran liegt, dass es mittlerweile eine imposante Riege an weiblichen Role Models gibt. Natürlich kann man den Vorbildfaktor als Kinderkram wegwischen und sagen, dass es eh nur darum geht, das eigene Ding zu machen, aber je eher einem etwas als selbstverständlich vorgelebt wird, desto eher kann man sich das auch für sich selbst vorstellen. Wenn ich in meiner Jugend selbstbestimmte, irgendwie greifbare Musikerinnen vor mir gehabt hätte (ja, Madonna gab's damals schon, aber die ist für mich weder damals noch heute greifbar), hätte ich mir vielleicht auch einen Tritt in den Hintern gegeben (na gut, man sollte nie die eigene Faulheit unterschätzen...).
Dafür hole ich das alles jetzt nach und lasse mich, zwischen zunftmässigem kritischem Abstand und jugendlicher Verzückung, von einer Reihe von musikaktiven Ladies begeistern. Ganz oben im Musik- und Diskursolymp schwebt natürlich Kathleen Hanna, wichtigste Protagonistin und Initiatorin der Riot Grrrl-Bewegung, mit ihrer grandiosen Band
Le Tigre. Auch jetzt bin ich noch dankbar dafür, wie Riot Grrrls ein Bewusstsein für weibliche Positionen in der Alternativkultur geschaffen hat und Feminismus und weibliche Solidarität als Coolheits-Argument etabliert hat. Dass Le Tigre heute die gleichen ambitionierten politischen Ziele mit anderen (=elektronischen), und vielleicht zeitgemäßeren Mitteln verfolgt, macht die Sache für mich umso aufregender.
Aber da gibt es natürlich auch noch Sleater-Kinney, die, ebenfalls aus der Riot Grrrl-Tradition stammend, eine Form von Gitarren-orientierter Musik vorantreiben, die ein Musikerfreund einmal ehrfürchtig als "innovativste Gitarrenmusik, die es zur Zeit überhaupt gibt" beschrieben hat. Und auch wenn die Band bei Interviews nicht mehr ständig von ahnungslosen Journalisten zum Thema Feminismus ausgefragt werden will, sprechen ihre Texte über Sexismus und Lesbisch-Sein zu den catchy Melodien immer noch eine mehr als deutliche Sprache. Hoffen wir, dass die Ladies bald das nächste Album raushauen!
Auch wenn ich nicht gerade HipHop-Fan bin, sinke ich doch vor der großen Missy Elliott in die Knie. Es gehört schon einiges dazu, im nicht gerade sexismusfreien Ambiente von größenwahnsinnigen Rapstars, die gerne ganze Fleischtheken von üppigen Busen und Hintern durch ihre Videos paradieren zu lassen, als Frau, die absolut nicht den supersexy Schönheitsidealen der Szene entspricht, ihr eigenes Ding zu drehen und dabei aussehensmäßig keine Konzessionen einzugehen (umso bewundernswerter, wenn man weiß, dass die eher knausrige Plattenfirma der objektiv schlanken Kelis ihr vor jedem wichtigen Fernsehtermin einen Fitnesstrainer für zigtausende Dollar zur Verfügung stellt). Und dass Miss Missy rattenscharfe Tracks komponiert und eine der gefragtesten und talentiertesten Producerinnen ist, macht die Sache noch so viel süßer...
Für meine Lobeshymnen muss ich aber eigentlich gar nicht bis nach Amerika schweifen, denn auch hier, direkt vor unserer Nase, liegt das Gute ganz nah: Electric Indigo, begnadete DJ und Monat für Monat auf dem gesamten Erdball gebookt, nötigt mir den größten Respekt ab. Nicht nur wegen ihrer jahrelangen Präsenz in der internationalen und nationalen Clubszene auf konstant höchstem Niveau, sondern auch wegen ihrem Engagement für die Vernetzung von weiblichen DJs mit ihrer Datenbank female:pressure. Wer sie einmal bei einer Diskussion gesehen hat, weiß, dass sie nicht nur mit Platten, sondern auch mit Wörtern fix und extrem skillful hantiert, was nicht unbedingt eine selbstverständliche Anforderung im DJ-Profil ist.
Also: Hail to you, ladies! Und zu allen anderen, die für andere Mädels (und Jungs) wichtig sind und die ich hier nicht genannt habe, weil ich sie entweder vergessen habe oder nicht auf ihre Musik stehe. Aber es ist gut, wenn andere dann genau das gut finden. Denn am Wort Vielfalt gefällt mir vor allem das
viel. Und das Ganze übrigens auch nicht nur am Frauentag, auch wenn das immer ein willkommener Anlass ist. |
fm4 märz 02