She Draws Comics
Die Wiener Secession zeigt die von Trina Robbins kuratierte Ausstellung "She Draws Comics", in der ein knappes Jahrhundert Comic Art von Frauen präsentiert wird. A Must-See.
(2002.09.21, 20:40)
Illegitimes Lovechild
Nachdem die "seriöse" Kunst- und Literaturkritik jahrzehntelang das Medium Comic nur am Rande und häufig mit etwas hochgezogener Braue wahrgenommen hatte, finden die gezeichneten Erzählungen und Situationen seit einigen Jahren zunehmend Gehör auf der Hochkulturebene: Comics als "Graphic Novels" drängen in classy Belletristik-Bestsellerlisten - schon 1992 wurde Art Spiegelman für "Maus" der renommierte
Pulitzerpreis für Literatur verliehen, Chris Wares "Jimmy Corrigan, The Smartest Kid on Earth" wurde letztes Jahr vom britischen Guardian mit dem
First Book Award bedacht, und auch die White Cubes der Museen öffnen sich nun bereitwillig für das, was wohl früher nicht selten abschätzig als illegitimes Lovechild von Literatur und Bildender Kunst wahrgenommen wurde, wobei sich jedoch keiner der beiden Elternteile so recht zu dem populären Bastard bekennen wollte.
Die Wiener Secession ist eine der Institutionen, die Comics-mäßig die Zeichen der Zeit erkannt hat. Doch nicht nur das, mit der Eingrenzung des Themas durch den Titel
"She Draws Comics" auf speziell weibliche (und vorwiegend amerikanische Artists) begibt man sich auf ein Terrain, das schon seit Anbeginn der Entwicklung des Genres ebenso fleißig wie weitgehend unbeachtet gerade auch von Frauen bearbeitet wird. Um die historische Kontinuität in der weiblichen Comicszene sowie ihren äußerst diversifizierten aktuellen Status kreisen die Exponate der Ausstellung, für die erfreulicherweise mit Trina Robbins als Kuratorin eine der herausragendsten Protagonistinnen der Women's Comics eingeladen wurde. Schon im letzten Jahr hatte die in Kalifornien lebende Künstlerin und selbst ernannte "Pop Herstorian" Trina Robbins, die sich laufend durch eigene Comics, Buchveröffentlichungen wie "From Girls To Grrrlz", aktives Networking und eben kuratorische Tätigkeiten um die weibliche Comicszene verdient macht, eine Ausstellung mit ähnlicher Thematik in Stuttgart kuratiert.
In Wien gibt es in der Galerie und im Grafischen Kabinett der Secession anhand von den präsentierten Comicstrips einen historischen Abriss über Women in Comics seit den 20er Jahren bis heute zu sehen, wobei der Wechsel zwischen verschiedensten Stoffen (romantisch, politisch, satirisch, autobiografisch) und Stilen reizvolle Kontraste erzeugt. Klar wird hierbei auch, wie sehr sich politische und ökonomische Umstände auf die Produktion von Comics auswirken: während vor und nach dem Krieg Frauen eher romantische Sujets zugestanden wurde, konnten Frauen während des Kriegs aufgrund der Nichtverfügbarkeit von Männern in die ihnen zugedachte Rolle schlüpfen und sich auch "harte, maskuline" Positionen aneignen. Die Politisierung in den 60ern und 70er Jahren bzw. die Erstarkung von Women's Liberation führte dazu, dass sich Frauen in Comicverbünden wie den legendären "Wimmen's Comix" zusammenschlossen und, wie z..B. in "Tits&Clits", der zweiten großen Reihe der 70er, das Private vehement politisch machten. Auch Race war und ist natürlich immer ein wichtiger Faktor: so ist die Comiclandschaft nach wie vor ethnisch nicht sehr differenziert und hauptsächlich weißes Territorium (in ihrem Buch "The Great Women Cartoonists" präsentiert Trina auch Arbeiten von Jackie Ormes, einer der wenigen bekannten afro-amerikanischen Comickünstlerinnen aus den 50/60ern, die schon früh Themen wie Ökologie und Rassismus aufgriff, aber aufgrund der segregierten Gesellschaft nur in "schwarzen" Zeitungen veröffentlicht wurde).
Die aktuelle Situation beweist, dass es eine Vielzahl von Frauen gibt, die auf verschiedenste Arten Comics veröffentlichen, wobei Trina Robbins besonders beklagt, dass die meisten von ihnen ihre Hefte selbst publizieren und ohne Vertrieb an die Leute bringen müssen (und dabei selbstverständlich noch einen Day Job haben), da sich die breite Masse immer noch hauptsächlich für die eindeutig auf Jungs abzielenden Superhelden- und Gewaltcomics interessiere. Positiv sieht Trina dagegen den Boom im Bereich der Graphic Novel (erzählende Langcomics wie etwa Daniel Clowes Ghost World, das ja letztlich auch
verfilmt) wurde und meint dazu auf der Pressekonferenz euphorisch: "Graphic Novels will save Comics". Das wäre doch schön.
Bemerkenswert sind außerdem auch der Ausstellungskatalog, der von 25 Zeicherinnen in Form eines Comics die Geschichte von Women in Comics erzählt, sowie das Ausstellungsdesign von Toledo i Dertschei, die den Grundgedanken von Comics kongenial mit ihrer Papierstapel- und Schriftblasen-Architektur umgesetzt haben. Im Grafischen Kabinett gibt es dazu eine Fläche mit hunderten von Comicheften zum Anschauen und (vorsichtig!) wühlen, die ich mir am liebsten alle gleich mitgenommen hätte.
Ausgestellte Künstlerinnen sind unter anderem (Achtung, subjektive Auswahl): Trina Robbins (of course), Jessica Abel, Donna Barr, Alison Bechdel, Ariel Bordeaux, Diane DiMassa, Julie Doucet, Debbie Drechsler, Mary Fleener, Roberta Gregory, Leanne Franson, Ariel Schrag - und viele viele andere, die es sich auf jeden Fall zu entdecken lohnt. |
fm4 apr 02