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Die Linie von dann nach hier
 
Last Splash 93? Nein, da kommt noch was. Die Breeders haben sich endlich wieder (neu) formiert und mit "Title TK" ihre dritte Platte gemacht.
(2002.09.23, 13:16)

Bei mir in der Stadt gibt es so eine Veranstaltung, die ihre Indie-Disco-Abende schon seit Jahren mit dem immergleichen Slogan "The Great Return of Underground Rock" ankündigt. Wie das gehen soll, auf regulärer Basis das Ding wieder und wieder zurückholen, das besonders in diesen jung-gitarren-verliebten RezipientInnenkreisen nie weg war, denke ich mir beim Vorbeigehen regulär achselzuckend und find's affig. Aber hoppla, dann kommt hier auf einmal was, das dieser floskelhaften Formulierung überraschend Leben einhaucht; Potenzial, Perspektive, Realness sozusagen. Die Linie von dann nach hier.

Geglaubt hatte das wohl niemand mehr so richtig. Nach jahrelangen Ankündigungen, Verwerfungen, Umstrukturierungen und hybriden Halb-Reunions am Ende eines ganz langen Atems steht jetzt endlich: "Title TK". Die neue Breeders-Platte, neun Jahre nach ihrem zweiten und letzten Album "Last Splash", das dank des Alterna-Megahits "Cannonball" Platin locker überrundete. Kim Deal, rückblickend angeblich das ultimative Female Role Model der Indie-Szene in den 90ern, die sich eher hemdsärmelig und musikpuristisch weder zu den outspoken politics der Riot Grrrls addieren noch sich vom New-Glam-Style einer Courtney oder P.J. anziehen lassen wollte, hat ihre Band reanimiert. Oder jedenfalls das, was nach Drogen-, Beziehungs- Entfernungs- oder schlicht Überdruss-bedingten Ausfällen noch davon übrig geblieben ist - also eigentlich nur ihre zwischenzeitlich dem Heroin verfallene Zwillingsschwester Kelley. Neu dabei sind Richard Presley, Gitarre, Mando Lopez, Bass und Jose Medels, Schlagzeug.

Mit Producerstar Steve Albini, dessen Name ganz vehement Früh-90er-Rockglorie aus dem Hut zaubert und der schon den Breeders-Erstling "Pod" (1990) und "Surfer Rosa" von Kims ex-Band The Pixies produziert hatte, zog man sich in Steves Chicagoer Studiohexenkessel zurück und nahm die 12 Songs auf handfest analoge Weise auf. Und es ist zweifelsohne ein Breeders-Album geworden, vom ersten Ton weg. Die Linie geht einfach von damals zu heute weiter, die Dealsche Stimme klingt auf vertraute Art angerauht hier wie mädchenhaft da, die Melodien sind poppig und catchy und die Gitarren schnörkellos und fett. Die Single "Off you" mit sehr verhaltener Gitarre und spröde verschlafenen Vocals, die fast nach einer undeprimierten Cat Power klingen und ganz sanft in ein romantisches und unkitschiges Ohrwurm-Tune rollen, deutet aber eine neue Gangart an: introspektiver, zurückhaltender und, äh, wie doof das klingt, irgendwie weniger direkt und ungestüm als früher (das ist vielleicht der Effekt, den R. Presley mit "experimental art noise" umschreibt). Titel wie "Viva" und "Huffer" lassen aber nach wie vor den optimistischen, wenn auch - nicht unangenehm - ausgebremsten Überschwang ihrer früheren Smash-Nummern spüren und komplettieren damit ein funktionierendes Album, bei dem alles an der richtigen Stelle sitzt. Wenn so die Wiederkehr des Underground Rock aussieht, lasse ich mir den Terminus gerne gefallen.

"Title TK" von den Breeders ist auf 4AD/Beggars Group/Connected erschienen. | intro mai 02
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