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Songwriting mal 3
 
Neue Musik von Lonely Drifter Karen, Kitty Solaris und Monotekktoni: drei Musikerinnen ohne großes Label im Rücken, aber mit tollen Songs zwischen Indie-Gitarre und Electro-Zartcore.
(2004.06.22, 13:35)

Lonely Drifter Karen

Wenn ich die vier Tracks auf "Sinsweetime" höre, fühle ich mich wie ein Teil der schönen schwedischen Kindersendung, die mich letztens in einem verwaisten Hotelzimmer in den Fernseher gesogen hat, ohne dass ich ein Wort verstanden hätte. Idyllisch und niedlich, ohne kitschig zu sein, mit genug Raum für Einsamkeit und Melancholie stolpern kleine plastische Figuren durch einen herrlichen Kunstwald und sind geborgen in einem gemütlichen Alu-Wohnwagen. Wie gut trifft es sich da, dass Lonely Drifter Tanja Frinta, die früher mit anderen Wienerinnen bei Holly May so etwas wie female emo folk core machte, jetzt selbst nach Schweden gezogen ist. Letztes Frühjahr hat sie mit Gitarre, Glockenspiel, Mundharmonika und einem alten Keyboard, das auch den schwingend-scheppernden Takt vorgibt, die vier bittersüßen Stücke aufgenommen, die gleichzeitig nach glitzernd gefrorenem Märchenwald, einem tiefen Schluck Sehnsucht und verheißungsvollstem Zucker-Pop klingen. Unter ihrem Alter Ego Lonely Drifter Karen zeigt sich Tanja als versierte Singer/Songwriterin, die vor allem durch ihre glockenklare Stimme verzaubert, die so Porzellan-fragil wie auch volltönend-melodisch klingen kann und von den zeitlos und warm dängelnden Instrumenten perfekt unterfüttert wird.

Lonely Drifter Karen "Sinsweetime" (CD-EP / Njata[at]gmx.net)


Kitty Solaris

Kitty Solaris hat traurige Vorbilder. Menschen wie das Ex-Liebespaar Chan Marshall (Catpower) und Bill Callahan (Smog), die in ihren umwerfend schweren Leidenshymnen schon das Scheitern dieser Beziehung vorwegzunehmen schienen. Aber auch die nicht minder schwermütige Stina Nordenstam wie auch der ewige Smartass Lou Reed werden von der Berlinerin Kitty, deren Stimme und Gitarre von Steffen Schlossers Drumcomputer unterstützt werden, als Inspirationsquellen genannt. Dass Artists sich so freimütig zu Einflüssen bekennen, ist selten. Aber Ms. Solaris kann sich?s leisten, denn die Stücke auf ihrer mittlerweile schon dritten Platte haben nichts Epigonales, sondern bedienen sich höchstens aus den Fächern mit den Atmosphären und Stimmungen, ohne jemals die gedroppten Namen direkt zu evozieren. Wenn Kitty nicht wie meistens auf Englisch, sondern auf Deutsch singt, scheint es, als hätte sie eine neue Persona übergestreift, die direkter und frischer »Elektrizität!« fordert, während die englischen Stücke in kuschelig-gitarriger Songwriting-Melancholie schwelgen. Die hat Kitty voll drauf, diese nie zu aufdringliche Wehmut mit schön traurigen Vocals, aber auch auf Englisch gibt es kesse Ausritte in schrabbeliges Gitarrenterrain. Das ist alles so stimmig, dass man Kitty Solaris wirklich wünscht, dass sie irgendwann über den eigenen Geheimtipp-Schatten gelupft wird.

Kitty Solaris "Different People Recording" (CD / www.kitty-solaris.de)


Monotekktoni

Monotekktoni heißt Tonia Reeh oder nennt sich zumindest so, ist 30, lebt in Berlin und genügt sich selbst als einziges Mitglied ihrer Ein-Frauen-Elektronik-Band in Berlin ? naturellement. Die Presse-Info zu ihrem ersten Longplayer "Tonfalle" geizt mit sachdienlichen Hinweisen ? außer jenem, dass Tonia "eine der leuchtenden Gestalten des Berliner Musiklebens" ist und nebenbei auch ein Teil von Das Zuckende Vakuum ? und rückt den neun ziemlich langen Tracks mit nebulösen Umschreibungen der Marke Prinzessin-, Drachen- und Blumen-Metaphorik zu Leibe. Dabei klingt Monotekktonis Musik gar nicht primär so entrückt, wie es die freundlichen Schwurbeleien des Labels vermuten lassen, sondern ist fiepsiger bis krachiger Elektronik-Pop, der an manchen Ecken auch chansonesk oder metallisch-düster sein kann. Und wenn Ms. Mono dann auf Englisch oder auch mal Deutsch singt, klingt das ein bisschen geheimnisvoll und dunkel, und man kann in der Ferne PJ Harvey oder Barbara Morgenstern erahnen ? aber nur ganz weit weg. Trotz nicht weniger experimenteller Ansätze und noisiger Einsprengsel heißt Monotekktonis maßgebliche Parole Pop. Der hat aber in seiner Vielschichtigkeit so gar nichts Heimwerklerisches, sondern klingt auch mit seiner kleinteilig verschachtelten Ästhetik erstaunlich versiert.

Monotekktoni "Tonfalle" (CD / Sinnbus)
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