Chloé
Die Resident DJ des Pariser Queer-Clubs Le Pulp erlöst Frankreich von erstarrten French-Touch-Hedonismen und hat eines ihrer knallenden Electro-House-Techno-Sets jetzt auf CD gepresst.
(2004.07.02, 17:24)
Besser als tanzen
La French Touch kann einpacken, hier kommt der funky Minimalismus. Nachdem verzweifelte Filter-House-NestbeschmutzerInnen jahrelang dissident auf die Möglichkeiten französischer Clubmusik jenseits hedonistischer Disco-Funk-House-Modelle verwiesen hatten und dabei gegen ein ähnlich stupid-hartnäckiges Image wie das vom Mélange-schlürfenden Wiener Lounge-Fan anrannten, scheint sich das Blatt nun zu wenden. Einen wesentlichen Anteil an dieser Neuorientierung, die meistens auch einen deutlichen Blick nach Osten zu teutonischen Minimalismen beinhaltet, hat neben dem Pariser Minimal-Plattenladen
Katapult mit angeschlossenem Label Karat auch die DJ und Produzentin
Chloé Thevenin, die mit ihrer Residency im hippen Lesbenclub Le Pulp neue Sounds in die Crowd brachte und nun mit "I Hate Dancing" (UWE / Discograph / Alive) eine tolle Mix-CD veröffentlicht.
"Vor sechs Jahren noch war französische elektronische Musik gleichbedeutend mit 'French Touch'. Das hat mir nie gefallen und ich fand es immer enttäuschend, dass man französische Produktionen immer nur mit diesem einen Sound assoziiert hat. In Clubs lief Techno oder französischer Filter-House, dazwischen gab es nichts. Ich glaube, Katapult und das Pulp haben sehr viel für die Weiterentwicklung elektronischer Musik getan. Katapult kam vor sechs Jahren aus dem nordfranzösischen Rouen nach Paris mit einem Haufen minimaler, hauptsächlich deutscher Platten im Gepäck. Es war alles sehr underground, niemand spielte diesen Sound, nur ein paar Parties im Pulp, wo ich z.B. mit Sextoy, Jennifer und Ivan Smagghe House, Electro und Minimal auflegte - das war für die Leute ziemlich neu. Das ist Teil der Erfolgsgeschichte des Pulp, und mittlerweile haben einige andere Clubs auch diesen Styles ihre Türen geöffnet."
Die sehr besonnene, fast schüchtern wirkende Chloé, die neben ihren Residencies regelmäßig in Stuttgart und Köln auflegt und in immer kürzer werdenden Abständen über die Kontinente hetzt, geht ihrem DJ-Handwerk und dem Musikproduzieren schon seit Jahren nach: " Ich bin bei meiner englischen Mutter aufgewachsen, die im swinging London als Disc Jockey arbeitete und die zu Hause immer das Radio laufen ließ. Mit 15 habe ich angefangen, Gitarre zu spielen und wollte so sein wie Nico und Velvet Underground... Die Schule langweilte mich, also nahm ich Schauspielstunden und modelte, bis ich 18 war, dann entdeckte ich Clubs und Raves. Dieser neue Way of Living hat mich so beeindruckt, dass ich selbst angefangen habe aufzulegen."
Wer Chloé jemals bei einem DJ-Set beobachten konnte, weiß, mit welchem präzisen Understatement sie die trocken rockenden Tracks auf die Tanzfläche klatscht - als hätte sie nie was anderes getan, ganz ruhig und alles unter ihrer Kontrolle. Dass bei steten DJ Engagements die eigenen Produktionen zurückstecken müssen, ist klar, aber auch schade, denn die beiden auf Katapult erschienen EPs sind kleine, so unaufdringliche wie unvergessliche Schmuckstücke - der Erstling "Erosoft" fast songwriterisch mit Gitarren und schwärmerischen Gesang, der Nachfolger "The Forgotten EP" deutlich tanzorientierter und straighter. Und erst die Remixe! Unauslöschlich das Dancefloor-Monster "Devil Inside Is The Best Part" für Lady B. Sie arbeite an einem Album, tröstet uns Chloé, nur die Zeit fehle... Und wie sieht es mit dem Tanzen aus - I Hate Dancing, yes or no? "Früher habe ich viel getanzt, jetzt langweilt mich das." |
intro juli 04
Hier gibt's das ganze Interview mit Chloé auf Englisch.