plastikmädchen
texte zu feminismus und popkultur
 
musik

buch

comic

film/tv

mädchen

alltag

wer

was


home


xml version of this page
Ada
 
Die Kölner Elektronikproduzentin zeigt uns mit ihrem ersten Album "Blondie" auf Areal Records, wie strahlend und poppig die Zukunft von Techno aussehen kann.
(2004.10.24, 18:09)

Lovelace... und so viel mehr

Als ich Ada vor einem Jahr zum ersten Mal sehe, steht sie schüchtern hinter ihrem Equipment in einem Zelt des Antirassistischen Grenzcamps auf den Poller Wiesen in Köln und betrachtet halb lächelnd, halb angespannt die wenigen, aber begeisterten Leute im Publikum. Es ist ihr erster richtiger Live-Act, wie ich später erfahre, und man merkt trotz der sympathischen Unsicherheit ihrem melodiös-aggressiven Set mit Live-Gesang sofort an, dass da was ganz Großes im Busch ist. Hart-verzerrte Beats, schwelgerische Synthie-Melodien, catchy Vocal-Hooks und vor allem Tracks, die sich auf halbem Weg plötzlich um 180° drehen und alles noch mal neu aufrollen - andere hätten daraus, denkt man sich mit offenem Mund, drei Stücke gemacht. Mindestens. Ihre erste Maxi "Blindhouse / Luckycharm", die einige Monate zuvor auf dem Kölner Vorzeige-Techno-Innovations-Label Areal quasi aus dem Nichts kam, war auf einmal nicht nur in aller Munde, sondern anscheinend auch in jeder Plattentasche und jedem Auskenner-Regal. "Ich wusste, wie viele Platten verkauft werden müssen, damit das Label keinen Verlust macht, aber als Michael von Areal nach nur wenigen Tagen anrief und mir sagte, dass wir den Break-Even schon erreicht haben, bin ich fast ausgeflippt. Da habe ich mir erst mal eine Flasche Sekt aufgemacht", erinnert sich Michaela Dippel a.k.a. Ada in ihrer auch bei aller Begeisterung noch immer so zurückhaltenden, geerdeten Art.

Irgendwie ging in Köln alles ganz schnell für Ada: Nachdem sie im heimischen Friedberg bei Frankfurt jahrelang in Bands Rock und Jazz gesungen hatte, schnappte sie sich nach ihrem Umzug nach Köln vor drei Jahren einen kleinen Korg-Sampler und war begeistert von den Möglichkeiten, die sich ihr damit auftaten. Die beiden Areal-Macher Sebastian (Basteroid) und Michael (Metope), den Ada schon seit Ewigkeiten aus hessischen Dorfzeiten kennt, sahen das Potenzial hinter der Spielerei und boten ihr an, eine Platte auf ihrem Label zu machen. Und, unglaublich, die ersten beiden Stücke, die Ada jemals produzierte, wurden als Areal Nr. 10 gepresst.

"Ehrlich gesagt wundere ich mich heute noch über die erste Platte. Ich könnte die nie wieder reproduzieren, denn gerade mit diesen Geräten passiert total viel zufallsmäßig - da drückt man irgendwo drauf und dann ist die Snare nicht da, wo man sie hinhaben wollte, sondern irgendwo anders und man denkt sich, wow, das ist ja super! Dann hatte ich auch noch meine kleine Alleinunterhalterorgel und habe damit die Akkorde eingespielt. Heute würde ich nie mehr so arbeiten, denn ich habe fast alle Samples vom Korg Electribe löschen müssen, um diese lange Orgelmelodie da reinzuquetschen! Ich musste dann immer die gleiche Bassdrum, die gleiche Hihat, die gleiche Snare benutzen, weil ich alles andere gelöscht habe, nur damit diese tolle Orgelmelodie von "Blindhouse" darauf Platz hat." Kaum vorstellbar bei dem Perfektionismus, mit dem Ada mittlerweile ihre Sounds auf zahllose Live-Spuren (und natürlich Smart-Media-Speicherkarten) verteilt und mit minutiösem Eifer zurechtschneidert.

Nach einem Overkill an "Sprüngen ins kalte Wasser" innerhalb einer extrem engen Zeitdichte - erste Platte, erster Live-Act, erste Bookings außerhalb Deutschlands und damit auch Michaelas erster Flug - ist der klassische Angstgegner "erstes Album" offensichtlich eine entspannter Gang durch den Park. So klingt "Blondie" in seiner fluffigen, poppigen Leichtigkeit, die sich nicht auf eine ausdefinierte Version von Clubtechno festnageln lässt, nach einem souverän reflektierten Album-Konzept. Denn nachdem sich nach jeder neuen Ada-Maxi besorgte wie begeisterte Stimmen zu Wort gemeldet hatten, dass jetzt auf einmal alles ganz anders klinge als vorher, bleibt ihre Variabilität und Vielfältigkeit Programm. Neben einer Neuversion eines Stückes ihrer ehemaligen Bossa-Band gibt es eine alte Gesangslinie von Everything But The Girl und ein Cover von den YeahYeahYeahs - und zwischen knackigen 808 rim shots und verzerrten Snares auch Konserven-Gitarren, schwärmerische Melodien, opulent kitschiges Georgel und ganz viel Gesang von Ada selbst und ihrer guten Freundin Caroline. "Das Album war nicht mit so viel Gesang geplant, denn man fragt sich ja schon immer, ob so was dann auch im Club gespielt wird, aber ich finde einfach, dass sich das extrem gut einfügt."

Und welches Referenzgeflecht tut sich hinter ihrem Pseudonym denn tatsächlich in die Richtung der Computerpionierin Ada Lovelace auf, zu der auch ihre letzte Maxi "Lovelace ...and more" eine deutliche Fährte legte? "Ursprünglich wurde ich ja von einem Horrorhörspiel von John Sinclair zu meinem Namen inspiriert, aber ein Freund hat mir später einen Artikel zu Ada Lovelace geschickt. Ich habe mich sehr darüber gefreut, zufällig den Namen einer so tollen Frau zu tragen!" Sagt's und gibt mir nach einem extrem netten und langen Interview eine kleine Einführung in die Geheimnisse ihres Korg-Samplers. Das nenne ich feministische Basishilfe. | intro okt 04
kontakt