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JD’s Lesbian Calendar. Crazy Sexy Cool
 
JD Samson setzt mit ihrem Pin Up-Kalender neue Maßstäbe in Sachen Sexiness und Geschlechter(de)konstruktionen.
(2002.12.19, 15:39)

Ich behaupte jetzt mal: JD Samson, ein Drittel von Le Tigre, hat mit ihrem "Lesbian Calendar 2003" neue Standards in Sexiness gesetzt. Auf den 12 Fotos von Cass Bird inszeniert sich die New Yorker Performance-Künstlerin mit dem berückenden Olibärtchen in kecken Posen zwischen Baywatch und Stallbursche. Damit wischt JD, die mit ihrer Gruppe "Dykes Can Dance" auch als Tanzaktivistin durch New Yorks Bars tingelt, Fragen nach der eindeutigen Zugehörigkeit zu einem gesellschaftlich klar vordefinierten Geschlecht nonchalant vom Tisch und dreht dem Genre Pin Up-Kalender mit seinen einzementierten Konstruktionen von übertriebener Weiblich- bzw. Männlichkeit eine lange Nase.

Was hat dich auf die Idee gebracht, als Präsentationsform für deine Fotos das Medium des Kalenders zu wählen?

Zuerst war da der Gedanke, mit dem Konzept des klassischen Pin Up-Kalenders zu spielen. Erst bei der Arbeit daran habe ich das subversive Potenzial entdeckt habe, das in diesem Blick aus einem solchen Mainstream-Format auf die Butch Lesbian Culture steckt. Es ging mir dabei natürlich auch um weitreichendere Themen wie Butch Silence, Unterdrückung, Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Geschlechter-Performanz.

Wolltest du mit den Bildern - ich denke da z.B. an die Baywatch-Pose - einfach vorgefasste Erwartungen unter Strom setzen und schockieren, oder sollten auch radikal neue Konzepte von Sexiness entworfen werden?

Tjaja, immer wieder Baywatch, das Thema scheint besonders zu faszinieren. Diese Aufnahme war für mich persönlich besonders spannend, denn als ich mit meinen roten Shorts, der Trillerpfeife und ohne Oberteil am Strand stand, war das so, als würde auf einmal ein alter Traum von mir wahr. Als Kind war ich völlig von der Idee besessen, Rettungsschwimmerin zu werden und musste ständig daran denken. Mit dem Bild wollte ich aber auf gar keinen Fall irgendjemanden schockieren. Die Person auf dem Foto ist real, und diese Menschen existieren. Der Kalender kann und soll für diese Menschen da sein, oder für die, die sie lieben, oder auch für die, die zuerst schockiert waren und nun froh sind, dass solche Menschen existieren.

Wie hast du die Posen bzw. Identitäten ausgewählt, die du auf den Fotos einnimmst?

Es gab Hunderte von Ideen, bevor wir die 12 besten ausgesiebt haben. Die, die dann letztendlich in die Tat umgesetzt wurden, wiesen alle eine Kombination von gewissen Kriterien auf. Da ging es zum einen um ganz praktische Faktoren, z.B., dass wir eine günstige Location und die richtigen Requisiten für den Shoot finden konnten oder auch, dass der dargestellte Job zwar Skills erfordern durfte, aber nicht zu viel spezifische Ausbildung. Zum anderen war es wichtig für die darin dargestellte Butch Lesbian Identity, dass Arbeiten gezeigt wurden, die eine gewisse Art von Anonymität mit sich bringen, die ich auch selbst bei meinen verschiedenen Jobs immer wieder gespürt habe. Ich glaube, viele von uns tendieren zu Jobs mit möglichst wenig menschlichem Kontakt, mit mehr Tieren, mehr Kindern und weniger sozialen Skills und Bossen, mit denen man sich rumschlagen muss. Die 12 Posen aus dem Kalender erschienen wie die perfekte Kombination aus diesen Details, und es war dann letztendlich ganz leicht, sie sexy zu inszenieren.

Wie waren denn die Reaktionen zu den Fotos bis jetzt?

Die meisten waren ziemlich begeistert von der Ausleuchtung und vom fantastischen Gefühl, das man beim Angucken der Bilder bekommt. In New York hatten wir eine Ausstellung mit großen Print Outs aus dem Kalender. Es war beeindruckend, die Bilder in dieser Größe zu sehen, so riesig und hell und klar. Die Vernissage hat auch total Spaß gemacht, denn sie fand in der neuen Galerie meiner Bandkollegin Kathleen in Soho statt und allein die Idee, solche Bilder im poshen Galerienviertel von Soho zu zeigen, fand ich total subversiv. Es war schon super, die ganze Nachbarschaft am Fenster hängen und schamrot eintreten zu sehen und dann zu hören: "Oh, der ist aber hübsch!" - obwohl alle Bilder ganz deutlich "Lesbe!" geschrien haben.

Was war deine Motivation dafür, die aktivistische Tanztruppe "Dykes Can Dance" zu gründen?

Vor ein paar Jahren tanzte ich mit FreundInnen in einer Bar und auf einmal sahen wir
an der Wand Schilder, auf denen "No Dancing" stand. Wir waren total überrascht, denn wir hatten vorher noch nie vom New Yorker Cabaret License Law gehört, das das Tanzen in Bars ohne eine diesbezügliche Lizenz verbietet. Das war der Gründungsmoment von Dykes Can Dance, da viele Cops es bei ihrer Überprüfung der Einhaltung dieses Gesetzes besonders auf lesbische und schwule Bars abgesehen haben. Außerdem gehen wir mit unserer Truppe natürlich auf das Vorurteil ein, dass Lesben nicht tanzen können... Was wir im Endeffekt machen, ist, in Bars zu gehen, die diesem Tanzverbot unterliegen, und dort einen 30-45-sekündigen Synchrontanz aufzuführen, zu dem wir unsere übereinstimmenden Tanzoutfits tragen. Und dann gehen wir wieder.

Hast du eigentlich schon festgestellt, dass du zu einer Art Role Model für Mädchen und Jungs geworden bist, die sich nicht in ein vorgefertigtes Gender-Stereotyp zwängen lassen wollen- besonders auf Le Tigre-Konzerten fällt das ja besonders auf. Wie fühlt sich das denn für dich persönlich an, quasi als Symbol einer neuen Tomboy-Sexiness wahrgenommen und abgefeiert zu werden?

Naja, normalerweise bin ich jemand, die sich sehr schnell unwohl fühlt, aber dabei wird mir ehrlichgesagt dann doch ziemlich warm ums Herz. Ich betrachte es tatsächlich als eine Art von gesellschaftlicher Errungenschaft. Und wenn nicht gesellschaftlich, dann doch zumindest persönlich, denn es macht mich extrem glücklich, bei Konzerten in der Menge die Gesichter von NonkonformistInnen zu sehen, die sich einfach den Platz nehmen, der ihnen zusteht, und sich darüber freuen. Während ich diesen Leuten einerseits zu helfen scheine, geben sie mir andererseits genauso viel an Selbstvertrauen zurück, wie sie von mir bekommen. We are all on this journey together. | intro nov 02
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