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Crafting
 
Seit Jahren wird in Nordamerika das miefige Image von Handarbeiten durch "Revolutionäre Strickzirkel", D.I.Y.-Modemessen und unzählige feministische Bastel-Websites dekonstruiert.
(2005.01.27, 23:31)

In exakt geschwungenen, feinen Kreuzstichen, umrankt von possierlichen Bordüren in fröhlichen Farben, steht da eine Message, die einem aus all der Niedlichkeit mit ausgefahrenen Krallen mitten ins Gesicht springt: "Go fuck yourself". Und statt des spießig einlullenden "Home Sweet Home", das man normalerweise von solchen Stickbildchen kennt, grinst ein beißend ironisches "Homo Sweet Homo" aus Blumenranken.

Die Website subversivecrossstitch.com ist nur ein Beispiel für den subversiven Umgang mit klassischen Handarbeiten, der schon seit ein paar Jahren wie ein Sturm durch Nordamerika fegt. Junge Frauen und auch einige furchtlose Männer treffen sich in hippen Cafés zu "Stitch’n’Bitch"-Gruppen, schließen sich zu "Revolutionary Sewing Circles" zusammen, tauschen in queeren Knitblogs Schnittmuster aus oder überlegen bei knittersagainstbush.com, was passionierte StrickerInnen gegen die Wiederwahl von George Bush unternehmen können. Jedes trendige Femzine, das etwas auf sich hält, hat Kolumnen mit Crafting-Tipps, und der Buchmarkt wird mit stylishen Bastelbüchern geradezu überschwemmt. So hat z.B. Debbie Stoller, Herausgeberin der alternativen Frauenzeitschrift Bust und popfeministische Ikone, ihre Handarbeitsleidenschaft in "Stitch’n’Bitch: The Knitter’s Handbook" (2003) gegossen.

Stollers Magazin Bust war es auch, das diesen Trend erstmals in sichtbarem Ausmaß ins Rollen brachte, als dort 1999 eine Anleitung für einen Strick-Bikini veröffentlicht wurde - das vermutet zumindest Jenny Hart, die dadurch selbst zum Handarbeiten angeregt wurde und mittlerweile über ihre Website sublimestitching.com unter dem schnippischen Claim "Not your gramma’s embroidery!" Stick-Kits mit Totenkopfmotiven oder glamourösen Retro-Dessins vertreibt.

Doch was ist mit dem miefigen Image von Stricken/Sticken/Häkeln/Nähen passiert, das bis vor kurzem solche typisch weiblichen Tätigkeiten noch als gammeliges Stigma umwaberte? Wieso wird hier von Leftwingers und FeministInnen etwas gefeiert, das die Frauen aller vorigen Generationen domestizieren sollte und viele von uns nur unter Flüchen und Krämpfen im Handarbeits-Unterricht gelernt haben? "Die Tatsache, dass junge Frauen heute die Wahl haben, ihre eigenen Kleider herzustellen, zu stricken und zu häkeln, statt aufgrund ihres Geschlechts von vornherein dazu verdammt zu sein, ist für mich revolutionär", erklärt Beth Pickens, die in Columbia, Missouri Mitglied des "Revolutionary Sewing Circle" ist und mit einer Freundin das Modelabel "NoSheDidn’t - Clothing & Accessories Made For You By Feminists" gegründet hat, das politische Slogans auf Kleider printet und kein Stück über 15 Dollar verkauft, um Finanzschwache nicht auszuschließen. Maureen McClarnon, die anlässlich des March for Women’s Lives für das Recht auf Abtreibung die Plattform knittersagainstbush.com ins Leben gerufen hatte, betont ebenfalls, dass Handarbeiten heute anders wahrgenommen würden, da nun nicht mehr aus einem wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Zwang heraus, sondern rein fürs Vergnügen gewerkelt würde.

Mit dieser Lockerheit einher geht auch die positive Neubewertung klassisch weiblicher und damit von der Öffentlichkeit häufig gering geschätzter Tätigkeiten, die besonders von der dritten Welle der Frauenbewegung in den 90er Jahren in Nordamerika vorangetrieben wurde. Aber auch eine wachsende Skepsis gegenüber Konsumwahn, Sweat-Shop-Labour und kapitalistischen Verwertungskreisläufen bringt immer mehr Leute dazu, selbst Schere und Nadel zu zücken. Im von Leah Kramer geschaffenen Internet-Forum craftster.org, in dem über 9000 registrierte User Handarbeits-Kniffe austauschen, finden sich zahllose Vorschläge, wie man aus Überresten, die normalerweise in den Mülleimer wandern würden, tolle neue Dinge basteln kann. Und dann gibt es natürlich immer noch den punkigen Do-It-Yourself-Ethos, der schon seit einigen Jahren fröhliche Hochzeiten feiert. "Ich glaube, unsere Generation ist ungewöhnlich kreativ. Wir sind die letzten der First Wave Punks und die ersten Babys der Punks - das DIY-Prinzip ist also tief in uns verankert", mutmaßt Jenny Hart über die Ursachen.

Natürlich wird auch schon Kritik an den Handarbeits-wütigen Girls laut, da sie im schlimmsten Fall im neuen Outfit die alten Träume der 50er-Jahre-Hausfrau vom dekorativen häuslichen Leben weiterspönnen, wie Justine Sharrock letztes Jahr ätzte. Wenn man Seiten wie indiebride.com begutachtet, wo der ultimativen Systemaffirmation Heirat durch Style-Accessoires noch subversives Kapital abgerungen werden soll, oder den liebenswerten Strick-Blog elvisknits.com, in dem die Betreiberin von ihrer neuen Küchenmaschine schwärmt, die ihr ihr Freund zum Geburtstag geschenkt habe, damit sie ihm endlich seine Lieblingsteilchen backen kann, kratzt man sich schon ein wenig skeptisch am Kopf. Doch auch wenn nicht alle modernen HandarbeiterInnen revolutionäre Ziele verfolgen, bleibt der neue Zugang und der massive Output positiv zu bewerten - und auch die Tatsache, dass viele Craftster jetzt nicht mehr einsam und verschämt vor dem Fernseher stricken, sondern rausgehen, sich in Zirkeln organisieren und mit anderen Materialien, Tipps und vielleicht auch noch mehr teilen. Beth Pickens: "When you get together a group of people holding knitting needles and throw in a topic like the unjust war on Iraq, look out!" | intro sep 04

Ein Interview mit Beth Pickens von NoSheDidn’t Clothing ist hier nachzulesen.

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