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Scheherazade
 
Comic-Ikone Megan Kelso hat eine Anthologie von Girl's Indie Comics herausgegeben - das Vorwort dazu kommt von Kathleen Hanna.
(2005.01.31, 14:13)

Seit Jo Fateman im Le-Tigre-Interview erwähnte, dass Kathleen Hanna das Vorwort für eine Comics-Anthologie von Frauen geschrieben habe, wartete ich kribbelig vor Ungeduld auf dieses Buch. Scheherazade sollte es heißen, in Anlehnung an die betörenden Erzählkünste der mythischen Figur aus 1001 Nacht; und das Team aus Megan Kelso, Schöpferin des legendären Comic-Zines "Girl Hero" als Editorin, Le Tigres Kathleen Hanna als "Schirmherrin" und 23 der interessantesten Indie-Comic-Zeichnerinnen versprach nur das Beste. Allein: Der Band erschien nicht, sondern wurde auf der Amazon-Website terminlich immer weiter von meinen hungrigen Augen weggezogen. Jetzt endlich wurde mir die Sammlung, die den Untertitel "Comics About Love, Treachery, Mothers and Monsters" trägt, doch noch zugeschickt. Trauriger Beigeschmack in meiner Begeisterung: Bald musste ich feststellen, dass es dazu nicht gekommen wäre, wäre es nach Herausgeberin Kelso gegangen.

Denn, wie man auf der Website der Künstlerin nachlesen kann, ist das Buch eigentlich ein Fehldruck, in dem acht der 23 Geschichten ernsthaft entstellt wurden - die Vorher-Nachher-Bilder auf Megans Homepage beweisen dies eindringlich. Nachdem der Verleger weder rechtliche Schritte für einen kostenlosen Neudruck unternehmen wollte (der Fehler lag bei der Druckerei), noch Megan die Rechte von ihrem eigenen Geld zurückkaufen (!) lassen wollte, so dass die Auflage hätte eingestampft werden können, hat sie sich dafür entschieden, sich öffentlich von diesem Werk loszusagen. Die Vorgehensweise, das Buch einfach fehlerhaft auf den Markt zu bringen, zeige "utter contempt for the 8 artists whose work is misrepresented and it also shows contempt for the book buying public".

Unangenehme Verwicklungen rund um ein Buch, das so großartig hätte werden können - und es trotz allem noch ist. In ihrer Einleitung erklärt Megan Kelso, warum es auch heute noch legitim und vor allem wichtig ist, eine Sammlung von Comics von Frauen zu präsentieren - Jahrzehnte nachdem "Wimmen’s Comix" erst mal polternd klar stellen mussten, "that accomplished women creators existed" -, da weibliche Artists eine ganz eigene (Bild-)Sprache und Perspektive in Comics gebracht hätten. Kathleen Hanna schreibt in ihrer Einleitung, diese Anthologie "made me feel connected to a special kind of pleasure. One that lifts me out of the maze of male privilege I am constantly navigating my way thru, and into the realm of everyday greatness." Und obwohl die Scans der Originalzeichnungen auf Megans Site beweisen, um wie viel besser die einzelnen Stories noch hätten aussehen können, sind auch die Zeichnungen der lädierten Kopie schon beeindruckend. Die einzelnen Geschichten sind, in ihrer ganzen stilistisch und inhaltlich aufgefächerten Bandbreite von realistisch über cartoony bis artsy so toll, dass ich keine davon missen möchte.

Am beeindruckendsten ist für mich selbstverständlich der Comic von meinem alten jungen "Idol" Ariel Schrag, in dem sie minuziös beschreibt, zu welch unhygienischen Absurditäten die Kombi von unsicheren Teenagern und verstopften Toiletten führen kann. Aber auch das "historische Drama" von Leela Corman um eine "illegale" Abtreibung oder die verstörend niedlich gezeichnete Geschichte von Allison Cole zu unangenehmen Begegnungen mit einem Exhibitionisten lösen vor allem einen Reflex aus: dass man unbedingt noch weitere und vor allem längere Stories dieser KünstlerInnen kennen lernen möchte. In gewisser Weise ist diese Reaktion ja auch eine Form des sich unendlich perpetuierenden Scheherazade-Effekts, von der der König jede Nacht eine neue Geschichte hören möchte - ich selbst habe mir nach der Lektüre des Buches schon drei neue Comics von vertretenen Künstlerinnen gekauft.

Megan Kelso (Ed.): Scheherazade. Comics About Love, Treachery, Mothers, and Monsters. Soft Skull Press 2004. | fm4.orf.at jan 05
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