Just Seventeen
Die britische Cultural Studies-Theoretikerin Angela McRobbie im nylon-Interview, geführt von Sonja Eismann, Anna Streeruwitz und Vina Yun. Überarbeitet von Vina Yun.
(2002.07.26, 20:06)
nylon: Sie haben zum Thema Mädchenzeitschriften einige interessante Arbeiten publiziert ? in Ihrem ersten Buch "Feminism and Youth Culture" geht es u.a. um Girl Magazines aus den 70er und 80er Jahren, wie z.B. "Jackie" oder "Just Seventeen". Inwiefern unterscheiden sich nun die Mädchenzeitschriften der 90er von ihren Vorgängerinnen?
Angela McRobbie: Ich habe beschrieben, wie kommerzielle Magazine auf gewisse Weise feministische Ideen übernommen haben ? am auffälligsten war das etwa bei "Just Seventeen". Man könnte dies die "Feminisierung der Medien", oder zumindest von Teilen der Medien nennen, und das ist auch bis heute noch teilweise der Fall. Gleichzeitig denke ich, dass sich die aktuellen Zeitschriften ab einem bestimmten Zeitpunkt sehr schnell in Richtung eines allumfassenden Konsumerismus bewegt haben: es dreht sich alles vielmehr um den ganzen Labelkult. Jugendliche sind auch ein völlig offener Markt, was die Ängste und Unsicherheiten des Körpers betrifft ? wobei Mädchen natürlich die hauptsächliche Zielgruppe sind ?, und das multinationale Kapital hat erkannt, dass hier noch beträchtliche Geldmengen rauszuschlagen sind.
nylon: Aber werden die feministischen Untertöne, die es in den Mädchenmagazinen ja zuweilen doch gibt, durch diese Betonung von Mode, Körperlichkeit, Romantik und Boys nicht eher "neutralisiert"?
Feminismus hat ja Eingang in die Populärkultur und den Mainstream gefunden: etwa im Fernsehen, in den Seifenopern oder eben auch in den Mädchenzeitschriften. Feministische Ideen waren insofern erfolgreich, als dass die Teil unseres Alltags geworden sind: man muss nicht verschämt in einem Eckchen suchen, um etwas über Abtreibung oder Verhütung oder Gewalt gegen Frauen zu erfahren. Einige Feministinnen meinen dann, "Ja, ABER es dreht sich doch noch immer alles um Boys und Liebe und Körper und Mode!" ? so what? Das eine negiert ja nicht das andere, sondern diese Themen existieren einfach nebeneinander.
Die Frage ist auch: wie bringt man feministische Messages an 14jährige? Und zudem, wer kann behaupten zu wissen, was diese Mädchen brauchen? 14 oder 16jährige wollen eben was über Liebe, Sex und ihren Körper erfahren... wobei man natürlich die Repräsentation von Körperlichkeit und Ästhetik in den Zeitschriften sehr wohl kritisieren kann: es werden hauptsächlich weisse Mädchen angesprochen, es gibt keinerlei ethnische Vielfalt, Körperideale werden kaum hinterfragt, lesbische Themen sind nach wie vor sehr marginalisert.
nylon: In ihrem letzten Buch "In the culture of society" beschreiben Sie u.a. die Entwicklung feministischer Theorie in einen "materialistischen" und einen "kulturalistischen" Feminismus und treten für einen verstärkt soziologischen Ansatz ein.
In den letzten Jahren kann man die feministische Denkschule in mehr oder weniger zwei grosse Lager teilen: zum einen die materialistischen Feministinnen, die "first wave Marxist feminists", die sich vorallem mit gesellschaftlichen Strukturen, mit Themen wie Lohn- und Hausarbeit, Patriarchat, Familie und grossen Institutionen auseinandersetzten. Dann kamen jene Feministinnen, die mehr an Text, Identität und "pleasures" interessiert waren und die sich mit kulturellen Formen ? wie eben z.B. Frauen- und Mädchenmagazinen beschäftigten ? die von "gewöhnlichen" Frauen geteilt wurden. Es war also ein sozialwissenschaftlicher versus einen Cultural Studies-Zugang. Das Problem ist aber, dass die materialistischen Feministinnen links liegen gelassen wurden, und die kulturalistischen Feministinnen sich selbst zu sehr gefeiert haben, während sie die ökonomischen Prozesse, auf die sich kulturelle Formen stützen, weitgehend vernachlässigt haben. Wie kommt es denn bei den Mädchenzeitschriften, dass sie sich verändert und feministische Ideen aufgenommen haben? Ich plädiere für eine Rückkehr zu soziologischen Fragestellungen und möchte wissen: Wie passiert sozialer Wandel? Von wem geht dieser Wandel aus, wer hat Einfluss? Es ist schwierig, wenn man sich nur mit Bedeutungen und Text auseinandersetzt, aber nicht hinterfragt, wie Bedeutung produziert wird.
Die britische Soziologin und Cultural Studies-Theoretikerin Angela McRobbie lehrt am Goldsmith College in London. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Kulturindustrie in Grossbritannien, insbesonders die "Fashion Industry" sowie Musik und Magazine in jugendkulturellen Szenen. Veröffentlichungen (Auswahl): Postmodernism and Popular Culture (1994); British Fashion Design (1998); In the culture society. Art, Fashion and Popular Music (1999); Feminism and Youth Culture (2nd edition ? 2000). Alle Werke von McRobbie sind bei Routledge erschienen. | nylon nov 00